Anwaltliche Vorkehrungen gegen das Vergessen von Anweisungen

Ein Rechtsanwalt muss seine Kanzlei so organisieren, dass sein Personal auch unter Fristendruck konkrete Anweisungen nicht vergisst. Solche Vorkehrungen sind laut Bundesgerichtshof nur dann entbehrlich, wenn die Bürokraft den Vorgang ausdrücklich sofort ausführen sollte. Eine Rechtsmittelbegründungsschrift sei vor der Unterzeichnung insbesondere auf die richtige Bezeichnung des Gerichts zu überprüfen.

Personal vergisst Falschbezeichnung des Gerichts zu korrigieren

Ein Mandant verlangte in einem Scheidungsprozess die Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist. Das AG Gießen hatte ihm die Entscheidung am 17.07.2020 zugestellt. Seine Anwältin hatte zunächst fristgerecht Beschwerde eingelegt und begründete sie am 17.09.2020. Das Schriftstück ging beim OLG Frankfurt am Main aber erst sechs Tage später ein. Daraufhin beantragte der Klient Wiedereinsetzung: Die erfahrene, sehr ordentlich arbeitende und zuverlässige Kanzleiangestellte seiner Bevollmächtigten habe das Schriftstück irrtümlich an das Amtsgericht versandt. Seine Anwältin erklärte daraufhin, sie habe die Bürokraft angewiesen, den Schriftsatz an das Oberlandesgericht zu adressieren und die Faxnummer zu berichtigen. Den korrigierten Schriftsatz habe sie ihr nochmals zur Prüfung vorlegen sollen. Die Beschwerde hatte gleichwohl vor dem OLG keinen Erfolg: Die Anwältin hätte entsprechende Vorkehrungen gegen das Vergessen der Anweisung treffen müssen, und sich spätestens vor Verlassen der Kanzleiräume vergewissern müssen, dass diese ordnungsgemäß ausgeführt worden sei.

BGH: Zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich

Das sah der BGH genauso und verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die versäumte Frist auf einem dem Mandanten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden seiner Anwältin beruhe, nicht zu beanstanden. Er habe nicht glaubhaft dargelegt, dass seine Bevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen habe, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. Dem XII. Zivilsenat zufolge war nicht ersichtlich, dass die Juristin die Rechtsmittelbegründungsschrift vor der Unterzeichnung insbesondere auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts überprüft habe. Die Bundesrichter wiesen darauf hin, dass die Anwältin die Angestellte nicht angewiesen habe, sie solle die notwendigen Korrekturen sofort ausführen. Sie hätte daher zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, um sicherzustellen, dass die erteilte mündliche Anweisung an die Bürokraft während des weiteren Geschäftsbetriebs an diesem Tag nicht in Vergessenheit gerät und die Beschwerdebegründungsschrift fristgemäß beim zuständigen Oberlandesgericht eingeht.

BGH, Beschluss vom 05.05.2021 - XII ZB 552/20

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2021.