Berufungsbegründung besteht nur aus der ersten Seite
Ein Mandant wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Dagegen legte er am 26.02.2021 fristgerecht Berufung ein. Am 26.04.2021 ging beim dortigen Oberlandesgericht aus dem beA seiner Instanzbevollmächtigten ein qualifiziert signierter Schriftsatz ein. Er war mit "Berufungsbegründung" überschrieben, bestand aber nur aus einer Seite. Erst am nächsten Morgen ging die vollständige, fünfseitige Berufungsbegründung ein. Am 03.05.2021 beantragte der Klient Wiedereinsetzung. Er teilte mit, dass die anwaltliche Büroangestellte versehentlich nur die erste Seite des Dokuments per beA verschickt habe. Nachdem der Anwältin unmittelbar vor dem Signiervorgang ein Tippfehler auf dem Titelblatt aufgefallen sei, habe ihre Sekretärin diesen auf Anweisung verbessert. Die geänderte Seite habe sie für die Papier-Handakte ausgedruckt. Anschließend habe sie das Word-Dokument in ein pdf-Dokument umgewandelt, um es sodann in die Anwaltssoftware zur Signierung einzustellen. Beim Print-to-pdf-Vorgang habe das Programm dann aber die Einstellung des vorangegangenen Druckvorgangs, nämlich Ausdruck nur der Seite 1, übernommen. Zur Glaubhaftmachung legte der Mandant eine anwaltliche Versicherung der Juristin und eine eidesstattliche Versicherung von deren Sekretärin vor. Das OLG Nürnberg wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück, da die Anwältin sich nicht darauf verlassen habe dürfen, dass das von ihrer Angestellten erneut in die Anwaltssoftware zur Signatur eingestellte pdf-Dokument vollständig war. Die Rechtsbeschwerde des Klienten hat der BGH am 08.03.2022 als unzulässig verworfen.
Schuldhafte Blankounterzeichnung
Dem VI. Zivilsenat zufolge war dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben. Der Mandant habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seiner Bevollmächtigten daran gehindert gewesen wäre, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Anwältin hat laut BGH sorgfaltswidrig gehandelt, als sie das ihr im zweiten Durchgang zur Signierung zugeleitete elektronische Dokument zwar geöffnet und auf Korrektur des im ersten Durchgang monierten Tippfehlers, nicht aber auf Vollständigkeit überprüft hat. Dass sie bei der ersten Vorlage des fehlerhaften Schriftsatzes ihrer Kontrollpflicht nachgekommen und die richtigen Anweisungen zur Korrektur gegeben habe, sei nicht entscheidend. Maßgebend sei vielmehr, dass der – bislang nicht unterzeichnete – Schriftsatz ein weiteres Mal in ihren eigenen Kontroll- und damit auch Verantwortungsbereich gelangt sei. Da sie ihn ungeprüft unterzeichnet habe, komme dies einer stets schuldhaften Blankounterzeichnung gleich. Diese Anforderungen gelten dem BGH zufolge auch bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA.