Antrag auf Wiedereinsetzung bei Verlust auf dem Postweg

Stellt ein Prozessbevollmächtigter den erstmaligen Antrag, die Berufungsbegründungsfrist wegen akuter Arbeitsüberlastung zu verlängern, muss er nicht bei Gericht nachfragen, ob dem Antrag entsprochen wird. Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, dass der Anwalt auf den rechtzeitigen Zugang bei Gericht vertrauen kann, wenn er den Antrag sechs Tage vor Fristablauf durch eine Angestellte in den Briefkasten werfen lässt. Angaben dazu, welche Fristen notiert worden seien, seien nicht notwendig.

Verlängerungsantrag für Berufungsbegründungsfrist verloren gegangen

In einem Mietstreit vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte erging ein Urteil zulasten des Vermieters. Dieser legte Berufung ein. Als sein Anwalt bemerkte, dass er die Berufungsbegründungsfrist wegen akuter Arbeitsüberlastung nicht würde einhalten können, beantragte er sechs Tage vor deren Ablauf die Verlängerung der Frist um einen Monat. Dieser Antrag wurde von seiner Angestellten in ein Kuvert gesteckt und in einen Briefkasten in der Nähe der Kanzlei eingeworfen. Er kam jedoch nicht bei Gericht an. Nach Ablauf der Frist teilte das Landgericht Berlin dem Prozessvertreter mit, dass keine Berufungsbegründung vorliege. Daraufhin beantragte dieser schnell die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erneut die Fristverlängerung. Innerhalb der beantragten Verlängerung reichte er auch die Berufungsbegründung ein. Das Landgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Der Vermieter erhob die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Substanziierungspflichten überspannt

Laut BGH hat der Vermieter die Berufungsbegründungsfrist ohne Verschulden versäumt, weswegen dem Wiedereinsetzungsantrag nach § 233 ZPO hätte stattgegeben werden müssen. Bei einem erstmaligen Verlängerungsantrag wegen Arbeitsüberlastung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO könne der Anwalt darauf vertrauen, dass ihm entsprochen werde, ohne dass es weiterer Substanziierung bedürfe. Insbesondere bedürfe der Wiedereinsetzungsantrag keiner Angaben dazu, wie er wann welche Fristen in dem Fall notiert habe. Das Landgericht Berlin habe die Anforderungen überspannt, indem es die fehlende Darlegung und Glaubhaftmachung der Fristennotierung nach Stellung des Verlängerungsantrags bemängelte. Der Prozessbevollmächtigte muss sich dem VIII. Zivilsenat zufolge auch nicht vor Ablauf der Frist bei Gericht erkundigen, ob seinem Antrag stattgegeben werde oder nicht.

Vertrauen in die Post

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfe man grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden und aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Der Anwalt ist laut den Karlsruher Richtern deshalb zurecht davon ausgegangen, dass sein Verlängerungsantrag noch vor Ablauf der Frist bei Gericht eingeht, wenn seine Angestellte ihn sechs Werktage vorher in den Briefkasten wirft. Der Wiedereinsetzungsantrag erfordere auch keinen Nachweis darüber, dass der Brief tatsächlich in den Postumlauf gelangt sei, sondern nur eine verständliche, in sich schlüssige Schilderung der Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des Schriftsatzes zur Post. Wie es zu dem Verlust des Briefes gekommen ist, liege außerhalb der Wahrnehmung des Prozessbevollmächtigten; dazu müsse demzufolge auch nichts vorgetragen werden. Der BGH hob die Verwerfung der Berufung auf und verwies die Sache zur Verhandlung der Sache zurück.

BGH, Beschluss vom 22.06.2021 - VIII ZB 56/20

Redaktion beck-aktuell, 30. Juli 2021.