BGH: Ansprüche wegen Flugverspätung bestehen auch bei "Wet-Lease" gegenüber ursprünglich "gebuchter" Airline

Der Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung ist nicht gegenüber dem Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund einer "Wet-Lease-Vereinbarung" eingesetzt wurden, geltend zu machen, sondern gegenüber dem Luftfahrtunternehmen, bei dem der Fluggast den Flug gebucht hat. Dies hat der Bundesgerichtshof mit zwei Urteilen vom 12.09.2017 klargestellt (Az.: X ZR 102/16 und X ZR 106/16).

Ausgleichsleistungen nach Flugverspätung begehrt

Die Kläger verlangen vom beklagten Luftfahrtunternehmen wegen einer Flugverspätung Ausgleichsleistungen gemäß Art. 5 Abs. 1c, 7 Abs. 1 S. 1b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung).

Flug auf Basis einer "Wet-Lease-Vereinbarung" durchgeführt

Die Kläger hatten beim beklagten Luftfahrtunternehmen jeweils einen Flug von Düsseldorf nach Nador (Marokko) gebucht. Der Flug wurde unter dem IATA-Code der Beklagten, jedoch aufgrund einer sogenannten Wet-Lease-Vereinbarung (Vereinbarung zwischen zwei Luftfahrtunternehmen über das Vermieten eines Flugzeugs, nach der der "Vermieter" auch die Flugzeugbesatzung stellt) mit einem Flugzeug und einer Besatzung eines spanischen Luftfahrtunternehmens durchgeführt. Der Flug erreichte Nador mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden. Das Amtsgericht wies die auf Zahlung der Ausgleichsleistungen gerichteten Klagen ab. Auch das Landgericht hat die Berufungen zurückgewiesen.

BGH sieht beklagtes Luftfahrtunternehmen in der Pflicht

Auf die Revisionen der Kläger hat der BGH die angefochtenen Urteile aufgehoben und den Klägern die begehrten Ausgleichsleistungen zugesprochen. Anders als die Vorinstanzen hat er nicht das Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund der "Wet-Lease-Vereinbarung" eingesetzt wurden, sondern das beklagte Luftfahrtunternehmen als ausführendes Luftfahrtunternehmen angesehen, gegenüber dem der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung geltend zu machen ist. Der BGH hat sich dabei insbesondere auf den Erwägungsgrund  7 der Fluggastrechteverordnung gestützt. Danach sollen die Verpflichtungen nach der Verordnung im Interesse einer wirksamen Anwendung dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem (mit oder ohne Besatzung) gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird. Zudem sei das vermietende Luftfahrtunternehmen nicht besser und gegebenenfalls mangels Präsenz am Flughafen auch gar nicht in der Lage, die in der Verordnung vorgesehenen Unterstützungs- und Ausgleichsleistungen zu erbringen.

Regelung zu Fluggäste-Unterrichtung hier ohne Belang

Dem stehe auch nicht entgegen, dass die unter anderem die Unterrichtung der Fluggäste über das ausführende Luftfahrtunternehmen betreffende Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 vom 14.12.2005 ausweislich ihres Erwägungsgrundes 13 "Wet-Lease" als einen Fall ansieht, in dem das anmietende Luftfahrtunternehmen den Flug nicht selbst durchführt. Die Unterrichtung nach Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung diene vornehmlich der Information der Fluggäste über mögliche Sicherheitsrisiken und damit anderen Belangen als die Fluggastrechteverordnung.

BGH, Urteil vom 12.09.2017 - X ZR 102/16

Redaktion beck-aktuell, 13. September 2017.

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