Tochter ging leer aus
Eine Tochter nahm den Erben ihres Vaters im Wege der Stufenklage auf Wertermittlung in Anspruch. Das Erbe bestand ursprünglich aus einer im Eigentum der aus dem Vater und drei Miterben bestehenden Erbengemeinschaft der 2014 verstorbenen Mutter stehenden Immobilie. Nach dem Tod des Vaters 2017 verkauften sein Erbe und die drei Miterben das Anwesen für 65.000 Euro. Die Tochter zweifelte daran, dass dies dem Wert entsprach: Für eine erfolglose Teilungsversteigerung im Jahr zuvor waren 245.000 Euro ermittelt worden. Eine Bank schätzte für den vom Testament Begünstigten den Wert auf 58.000 Euro. Ein von der Tochter in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu einer Spanne von 120.000 bis 175.000 Euro. Der Erbe zahlte ihr 33.400 Euro auf den Pflichtteil. Das LG Zwickau verurteilte ihn, den Wert der Wohnanlage durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen gutachterlich zu ermitteln und die Klägerin auszuzahlen. Das OLG Dresden wies die Klage fast vollständig ab - lediglich 270 Euro sollte die Frau erhalten, da es ihr wegen des Verkaufs des Hauses an einem schutzwürdigen Interesse an der Wertermittlung fehle. Maßgeblich sei der Kaufpreis. Weitere Bewertungen des Grundstücks würden die Unsicherheiten nur steigern. Die Revision der Klägerin beim BGH hatte zunächst größtenteils Erfolg.
Wertgutachten trotz Verkauf
Aus Sicht der obersten Zivilrichter gab es Fehler in beiden Vorinstanzen: So sei das OLG zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine Wertermittlung in Betracht komme. Vielmehr solle diese - gerade bei stark abweichenden Bewertungen - dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit geben, einzuschätzen, ob sich ein Streit lohne. Der BGH betont, dass auch bei einem schon veräußerten Erbstück die Wertermittlung möglich bleiben müsse, um den tatsächlichen Wert ermitteln zu können. Insoweit sei zwar in der Regel bei Berechnung des Anspruchs bei nach dem Erbfall verkauften Gegenstände der Verkaufspreis maßgeblich. Jedoch könne der Pflichtteilsberechtigte den Beweis führen, dass der Preis dem Wert nicht entspreche, wofür die Wertermittlung auf der ersten Stufe einen Anhaltspunkt biete. Der IV. Zivilsenat gab die Sache aber an das Landgericht zurück.
Sachverständiger muss nur unparteiisch sein
Richtigerweise hätte schon das OLG nach Ansicht der Karlsruher Richter die Sache nach Zwickau zurückreichen müssen. Das LG habe fälschlich die Wertermittlung unter Einsatz eines öffentlich bestellten und vereidigten Gutachters zugesprochen. § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB gebe eine solche Qualifikation nicht vor - ein Sachverständiger müsse lediglich unparteiisch sein. Außerdem bestehe kein Anspruch auf die Ermittlung des Gesamtwerts, sondern nur auf den Wert des Anteils an der Erbengemeinschaft. Zuletzt monierte der BGH noch, dass bereits vor Einholung des Wertgutachtens der Erbe dem Grunde nach zur Zahlung verurteilt wurde.