Anspruch auf "kleinen" Schadenersatz in Dieselfällen bekräftigt
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In den sogenannten Dieselfällen kann der Käufer ein vom Dieselskandal betroffenes Kfz auch behalten und als "kleinen" Schadenersatz die Differenz zwischen einem höheren Kaufpreis und einem gegebenenfalls niedrigeren Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags beanspruchen. Dies bekräftigt der vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes im Anschluss an eine Entscheidung des VI. Zivilsenats vom 06.07.2021 (ZIP 2021, 1763).

2013 von Dieselskandal betroffenen Gebrauchtwagen gekauft

Der Kläger kaufte im September 2013 für 12.999 Euro von einem Dritten einen Gebrauchtwagen Seat Leon, der mit einem von der beklagten Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen war. Bei Erwerb wies das Kraftfahrzeug eine Laufleistung von 60.400 Kilometern auf. Es war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte. Nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals ließ der Kläger ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update aufspielen. Zum 31.12.2019 betrug die Laufleistung des Kraftfahrzeugs nach Angaben des Klägers rund 275.000 Kilometer.

BGH bestätigt Anspruch auf "kleinen" Schadenersatz

Das Amtsgericht hatte die auf Leistung des vorgerichtlich verlangten "kleinen" Schadenersatzes nebst Zinsen und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte dagegen überwiegend Erfolg. Der VIa. Zivilsenat hat im Anschluss an die Entscheidung des VI. Zivilsenats vom 06.07.2021 (ZIP 2021, 1763) bekräftigt, dass der Käufer eines vom "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs ein Wahlrecht hat. Er kann gegen Rückgabe des Fahrzeugs und Anrechnung von Nutzungsvorteilen den gesamten Kaufpreis zurückverlangen ("großer" Schadenersatz). Er kann aber auch das Fahrzeug behalten und lediglich als "kleinen" Schadenersatz die Differenz zwischen einem höheren Kaufpreis und einem gegebenenfalls niedrigeren Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags beanspruchen. Für diese zweite Möglichkeit hat sich der Kläger entschieden, dessen Klage deshalb nicht ohne weitere Prüfung der Höhe seines Anspruchs hätte abgewiesen werden dürfen.

(Hier sehr hohe) gezogene Nutzungen anzurechnen

Im konkreten Fall bestehe allerdings die Besonderheit, dass der Kläger das mit einem Kilometerstand von 60.400 Kilometer gebraucht gekaufte Fahrzeug bei Klageerhebung schon über weitere 200.000 Kilometer bis zu einem Kilometerstand von rund 275.000 Kilometer gefahren hatte. Damit stehe im Raum, dass der Käufer sich im Wege der Vorteilsausgleichung den Wert von Nutzungen auf den "kleinen" Schadenersatz in dem Umfang anrechnen lassen muss, in dem der Wert der Nutzungen den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss übersteigt. Da das Berufungsgericht – aus seiner Sicht konsequent – weder Feststellungen zum Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss noch zum Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen getroffen hat, hat der VIa. Zivilsenat das Berufungsurteil im Ausspruch zum "kleinen" Schadenersatz aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsurteil hatte im Ergebnis nur insoweit Bestand, als das Berufungsgericht den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten verneint hat.

BGH, Urteil vom 24.01.2022 - VIa ZR 100/21

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2022.