Anrechnung türkischer Freiheitsentziehung auf Haftstrafe für IS-Heimkehrerin muss neu geprüft werden

Der Bundesgerichtshof hat ein im Schuld- und Strafausspruch rechtskräftiges Urteil gegen eine IS-Heimkehrerin aus Niedersachsen im Ausspruch über die Anrechnung türkischer Freiheitsentziehung aufgehoben. Das Oberlandesgericht Celle habe nicht ausreichend geklärt, ob die Voraussetzungen für eine Anrechnung vorliegen.

OLG: Freiheitsentziehung in Türkei anzurechnen

Das Oberlandesgericht Celle hatte die 30-jährige deutsche Staatsangehörige, die im Jahr 2014 in das syrische Bürgerkriegsgebiet ausgereist war, wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Zugleich ordnete es an, dass in der Türkei vollzogene Freiheitsentziehung im Umfang von etwa zweieinhalb Monaten auf die Gesamtfreiheitsstrafe im Maßstab 1:2 angerechnet wird. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle legte lediglich gegen die Anrechnungsentscheidung Revision ein, so dass der Schuld- und der Strafausspruch rechtkräftig wurden.

BGH: OLG hat Anrechnungsvoraussetzungen nicht ausreichend geklärt

Der BGH hat das OLG-Urteil im Ausspruch über die Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung aufgehoben und die Sache insoweit an einen anderen Senat des OLG zurückverwiesen. Der Anrechnungsausspruch habe anhand der bisher getroffenen nicht hinreichend klaren Feststellungen nicht überprüft werden können. Denn die Wertung des OLG, die von der Angeklagten in der Türkei erlittene Freiheitsentziehung sei als türkische Untersuchungshaft gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB auf die erkannte Freiheitsstrafe anrechenbar, finde dort keine sichere Grundlage. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erscheine die Annahme näherliegend, dass die Angeklagte außerhalb eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Abschiebehaft genommen worden sei. Die Anrechnungsfähigkeit solcher Abschiebehaft wiederum sei von dem Vorliegen weiterer einschränkender Voraussetzungen - etwa einem internationalen Haftbefehl - abhängig, die das OLG bislang ebenfalls nicht festgestellt habe.

BGH, Urteil vom 01.07.2021 - 3 StR 473/20

Redaktion beck-aktuell, 2. Juli 2021.