Anlasstaten bei Unterbringung in Psychiatrie

Die Prognose, dass aufgrund einer psychischen Erkrankung zukünftig erhebliche Straftaten drohen, kann nicht mit Taten begründet werden, bei denen unsicher ist, ob die Krankheit Auslöser war. Notwendig ist ein klarer Zusammenhang, wie der Bundesgerichtshof betonte. Das Auftreten von gesundheitlichen Symptomen im Tatzeitraum reiche nicht aus. Die Vorinstanz habe ihre Tatprognose mithin zu Unrecht auf das Gesamtgeschehen gestützt.

Sachverständiger diagnostiziert Polytoxikomanie und Schizophrenie

Das Landgericht Dresden hatte im Sicherungsverfahren einen Mann nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Vorausgegangen war eine Reihe von Vorfällen in der ersten Jahreshälfte 2021: Begonnen hatte es damit, dass der Täter seinem Unmut darüber, dass ein Pkw seiner Ansicht nach an einer Ampel zu weit in den Fußgängerbereich gefahren war, durch einen Sprung auf die Motorhaube Luft machte und die Windschutzscheibe eintrat. In kurzem Abstand folgten weitere unmotivierte Angriffe auf mehrere Personen, Beleidigungen und der Versuch, in einem Klinikum Betäubungsmittel zu erpressen. Der Sachverständige diagnostizierte eine paranoide Schizophrenie und Polytoxikomanie, also einen Mischkonsum mehrerer Drogen. Als klar krankheitsbedingt ordnete er zwei Angriffe auf Wohnheimmitbewohner ein, von denen der Erkrankte sich verfolgt fühlte. In einem dieser Fälle hatte er versucht, dem Kontrahenten mit einem Messer ins Gesicht zu stechen. Hinsichtlich der restlichen Taten hielt der Gutachter eine Schuldunfähigkeit für möglich. Das LG stützte seine Tatprognose auf das Gesamtgeschehen, was zur Aufhebung des Urteils führte.

Erzwungene Aufhebung

Der 4. Strafsenat stellte klar, dass er hierzu durch die "bislang" unzureichende Begründung der Gefahrenprognose genötigt sei – trotz zahlreicher Indizien für eine Gefährlichkeit des Manns. Das Tatgeschehen selbst hätte das LG rechtsfehlerfrei festgehalten, aber seine Gefahrenprognose hätte es auch auf Taten gestützt, die der Sachverständige nicht als klar krankheitsbedingt habe einstufen können. Richtig sei, dass im Zeitraum der Taten psychotische Symptome aufgetreten seien. Dieses Zusammentreffen begründe aber keinen ursächlichen Zusammenhang. Mit Blick auf den Betäubungsmittelkonsum muss aus Sicht des BGH auch geprüft werden, ob eine – ggf. zusätzliche – Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt. Im Übrigen sei die Zerstörung der Windschutzscheibe eines haltenden Wagens aufgrund der fehlenden spezifischen Gefahr für den Straßenverkehr kein gefährlicher Eingriff nach § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB.

BGH, Beschluss vom 30.08.2022 - 4 StR 267/22

Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 6. Oktober 2022.