Angebotsausschluss bei abweichenden Vorgaben der Vergabeunterlagen

Versteht ein Bieter die Vorgaben eines eindeutigen Leistungsverzeichnisses falsch und gibt einen deutlich höheren Preis unter Einschluss nicht geforderter Aufgaben an, enthält sein Angebot nicht den geforderten Preis und ist von der Vergabe auszuschließen. Über die Preiskalkulation eines Nachunternehmers ist laut Bundesgerichtshof jedenfalls dann aufzuklären, wenn das Angebot möglicherweise nicht den Vorgaben im Leistungskatalog entspricht.

Streit wegen Vergabe von Bauleistungen

Eine Kommune hatte 2019 Erd- und Rohbauarbeiten nach Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A 2016) öffentlich ausgeschrieben. Nach dem Leistungsverzeichnis war unter anderem der Bodenaushub in fünf Entsorgungsklassen aufzunehmen und zu entsorgen. Die Positionen 2.7 bis 2.9 lauteten unter anderem wie folgt: "Boden (…) aufnehmen, laden, abfahren und entsorgen auf Deponie. Gebühr trägt der AG." Das klägerische Bauunternehmen gab ein Gebot ab, das für die Erdarbeiten den Einsatz eines Nachunternehmers vorsah. Dabei lagen die Einheitspreise für die Positionen 2.7 bis 2.9 des Katalogs bei allen Geboten etwa 500% bis 900% über dem Baukostenindexpreis (Stand 2018) für Lösen, Laden und Abfahren von Baugrubenaushub.

Zuschlag ging an Mitbietenden für "wirtschaftlichstes Angebot"

Im Mai 2019 fanden Bietergespräche zur Aufklärung des Angebotsinhalts statt. Ein Bieter hatte die Positionen 2.7 bis 2.9 so verstanden, dass darin Deponiekosten einzukalkulieren seien, und klärte dies auf. Auf entsprechende Nachfrage der Stadtverwaltung erklärte die Klägerin, dass ihr Angebot diese Positionen nicht enthalte. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Mitbieter den Zuschlag. Dessen Angebot sei das wirtschaftlichste, da in den Positionen 2.7 bis 2.9 die Deponiekosten enthalten und deshalb die Einheitspreise niedriger als die der Klägerin seien. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Gemeinde Schadensersatz in Höhe von 72.200 Euro. Die Klage scheiterte beim LG Heidelberg. Das OLG Karlsruhe gab dem Baubetrieb hingegen Recht. Dagegen legte die Beklagte beim BGH die Revision ein - mit Erfolg.

Deponiekosten sind klärungsbedürftig

Der XIII. Zivilsenat verwies die Sache an das OLG zurück. Es hätte einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Gewinns, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte, nicht bejahen dürfen. Zwar sei der Zuschlag an den Konkurrenten erteilt worden, aber es sei fraglich, ob die klagende Baufirma als Siegerin des Vergabeverfahrens hätte hervorgehen müssen. Ob das Angebot Deponiekosten enthalten habe oder nicht, hätte dabei geklärt werden müssen, monierte der BGH. Unterstelle man zugunsten der Gemeinde, dass diese eingepreist worden seien, so hätte die Baufirma die berechtigte Nachfrage der Kommune falsch beantwortet, was einen Ausschluss gerechtfertigt hätte. Aufgrund der Höhe der Preise aller Gebote hätte auch ein Anspruch bestanden, zugunsten des Haushalts die Korrektheit der angegebenen Einheitspreise aufzuklären. Da hier die Übereinstimmung von Angebot und Leistungsverzeichnis zweifelhaft war, hätte auch über die Preiskalkulation des Nachunternehmers aufgeklärt werden müssen. Sollte der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin der Nachweis gelingen, dass in ihrem Angebot tatsächlich keine Deponiekosten einkalkuliert waren, müsse das OLG prüfen, ob ihr bei fehlerfreier Fortsetzung des tatsächlich zu Ende geführten Vergabeverfahrens unter Beachtung des der Vergabestelle gegebenenfalls zukommenden Wertungsspielraums der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Dabei müsse das Berufungsgericht davon ausgehen, dass das Angebot des Konkurrenten nach §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 hätte ausgeschlossen werden müssen.

BGH, Urteil vom 13.09.2022 - XIII ZR 9/20

Redaktion beck-aktuell, 10. November 2022.