Anforderungen an die strafrechtliche Verfahrensrüge bei der Verständigung

Rügt ein Angeklagter die Verletzung der Mitteilungspflicht des Vorsitzenden Richters nach Verständigungsgesprächen, muss er in der Revisionsbegründung Tatsachen darlegen, die diese Mitteilungspflicht begründen. Der Bundesgerichtshof hält eine Verfahrensrüge für unzulässig, wenn sie nicht darlegt, dass nach einer einfachen Erörterung der Sache tatsächlich die Frage über einen sogenannten Deal aufgekommen ist.

Rechtsgespräch in der Hauptverhandlung

Der Angeklagte stand wegen bewaffneten Amphetaminhandels in nicht geringer Menge vor Gericht. Am ersten Sitzungstag regte der Vorsitzende der Strafkammer ein Rechtsgespräch an, in dem die Staatsanwaltschaft mitteilte, dass aus ihrer Sicht kein minder schwerer Fall vorliege. Der Verteidiger teilte seinem Mandanten nachher lediglich mit, dass "es nicht gut" aussehe und die Staatsanwaltschaft eine Strafe nicht unter fünf Jahren fordern werde. Deshalb solle er keine Angaben zur Sache machen. In der Sitzungsniederschrift hielt der Vorsitzende fest, dass keine Verständigung erzielt worden sei. Nach dem Wiedereintritt in die Verhandlung berichtete er nichts über den Inhalt des Gesprächs. Das Landgericht Lüneburg verurteilte den Mann zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Revision zum Bundesgerichtshof. Unter anderem rügte er die fehlende Mitteilung des Gerichts über das Rechtsgespräch. In der Revisionsbegründung führte der (neue) Verteidiger noch eine Erklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft über das Rechtsgespräch ein, worin eine Verständigung nicht erwähnt wurde. Die Verfahrensrüge war nicht erfolgreich. 

Keine Mitteilungspflicht über das Gespräch

Die Verfahrensrüge war den Leipziger Richtern zufolge nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bereits unzulässig, weil die Tatsachen, die den vermeintlichen Mangel begründen sollten, in der Revisionsbegründung fehlten. Der Beschwerdeführer habe nur vage erinnerte und mögliche Verfahrensabläufe geschildert, aber keine Tatsachen geliefert. Nach § 243 Abs. 4 StPO besteht die Mitteilungspflicht nur dann, wenn das Gespräch die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO zum Gegenstand hatte, nicht aber, wenn es sich bloß um eine unverbindliche sonstige verfahrensfördernde Erörterung gehandelt habe. Aus der Darstellung in der Revisionsbegründung geht nach Ansicht des 6. Strafsenats nicht hervor, ob die abstrakte Vorfrage zur Einordnung der Sache als minder schwerer Fall in eine Erörterung um eine erwogene Verständigung mündete oder nicht. Der Betroffene habe auch nicht behauptet, dass es ihm oder seinem Revisionsverteidiger unmöglich gewesen wäre, bei dem in der Instanz tätigen Anwalt nähere Informationen zum Inhalt des Gesprächs einzuholen.

BGH, Beschluss vom 18.04.2023 - 6 StR 124/23

Redaktion beck-aktuell, 27. Juni 2023.