Anforderungen an Anordnung der Sicherungsverwahrung im Nachverfahren
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Ordnet ein Gericht nachträglich die Sicherungsverwahrung an, muss es sorgfältig arbeiten: Der Bundesgerichtshof will genau nachvollziehen können, aufgrund welcher Tatsachen die Gefährlichkeitsprognose gestellt worden ist. Werde erstmalig eine Borderline-Störung diagnostiziert, müsse deren Einfluss auf die Straftaten und auf die Gefährlichkeit des Gefangenen exakt beschrieben werden.

Anordnung von Sicherungsverwahrung in mehreren Anläufen

Ein Mann, mehrfach einschlägig vorbestraft, drogenabhängig und aus "schwierigen" familiären Verhältnissen, wurde im Jahr 2017 vom Landgericht Essen unter anderem wegen versuchter räuberischer Erpressung, Beschaffung von Betäubungsmitteln und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Das LG behielt sich die Unterbringung in Sicherungsverwahrung vor. Dieser Maßregelausspruch wurde in der Revision aufgehoben und zurückverwiesen. Im zweiten Versuch sah das Landgericht von dem Vorbehalt ab, aber auch dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Im dritten Anlauf ordnete es den Sicherungsvorbehalt wieder an - dieses Mal scheiterte die Revision des Verurteilten. Im Nachverfahren ordnete das Landgericht die tatsächliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an, weil es fand, der Verurteilte habe einen Hang zur Begehung von schwerwiegenden Raub- und Körperverletzungsdelikten. Die erneute Revision des Verurteilten hiergegen war erfolgreich.

Entscheidung muss nachvollziehbar sein

Der Bundesgerichtshof bemängelte, dass die Anordnung nach § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB unvollständig und ungenau begründet worden sei. Das Gericht sei nicht in der Lage gewesen, das Urteil nachzuvollziehen. So habe die Gutachterin erstmalig eine schwere Borderline-Störung diagnostiziert, ohne diese exakt zu beschreiben, einzuordnen und zu bewerten. Das Landgericht habe auch nicht dargelegt, inwieweit diese Persönlichkeitsstörung konkret auf das Denken, Fühlen und Handeln des Verurteilten Einfluss nehme. Es sei sogar unklar, ob die begangenen Straftaten überhaupt auf dem Störungsbild Borderline beruhen. Die Anknüpfungstatsachen, auf die sich die Gutachterin stützte, sind dem BGH zufolge in den Urteilsgründen nicht aufgeführt worden.

Keine Auseinandersetzung mit Resozialisierungsbemühen

Die Karlsruher Richter forderten eine Darstellung des Vollzugsplans und der Behandlungsangebote der JVA zur Vermeidung der Sicherungsverwahrung. Sie vermissten auch eine Erörterung der Ergebnisse der psychologischen Einzeltherapie. Grundsätzlich seien Erkenntnisse aus dem Vollzugsverhalten nur eingeschränkt aussagekräftig. Der 4. Strafsenat betont: Gerade, wenn eine Gefährlichkeit für wahrscheinlich gehalten werde, sei im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher zusätzlichen Tatsachen das Gericht nunmehr zu dieser Feststellung gelangt sei. Es genüge nicht, die bereits im Ausgangsverfahren bekannten Tatsachen neu zu bewerten. Für die nächste Entscheidung empfahl der BGH die Hinzuziehung eines weiteren Gutachters.

BGH, Beschluss vom 04.02.2021 - 4 StR 448/20

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2021.