Schadenersatz für fehlerhafte Hüftprothese
Eine Patientin hatte Schadenersatzansprüche gegen die Herstellerin ihrer Hüftprothese geltend gemacht. Ihr war 2007 eine Oberflächenersatzprothese implantiert worden. Ab 2014 ließ sie regelmäßig ihr Blut untersuchen, um Chrom- und Kobaltwerte zu ermitteln; sie vermutete einen erhöhten Metallabrieb. Noch vor Ablauf der durchschnittlichen Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren war ihrer Ansicht nach ein Wechsel notwendig. Das Landgericht München I holte ein für sie negatives toxikologisches Gutachten ein. Daraufhin legte die sie ein ärztliches Attest vor, wonach sie "immer wieder [...] typische Symptome eines Pseudotumors mit Spannungsgefühlen" habe. Das LG München wies die Klage dennoch ab: Die Sachverständige sei wegen der geringen Metallkonzentration im Blut zu der Beurteilung gekommen, dass es nicht zu einem erhöhten Metallabrieb gekommen sei. Die Berufung scheiterte vor dem dortigen Oberlandesgericht, weil der Vortrag der Patientin nicht hinreichend substanziiert gewesen sei und das LG – trotz des Einwands, an einem Pseudotumor zu leiden – nicht zur weiteren Sachaufklärung verpflichtet gewesen sei. Dagegen legte die Frau erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde ein.
BGH: Keine überhöhten Anforderungen an Einwendungen
Der BGH verwies die Sache 16.02.2021 an das OLG München zurück. Dem BGH zufolge hätte das OLG durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens weiteren Beweis erheben müssen, da das von der Frau eingereichte ärztliche Attest auf typische Symptome eines Pseudotumors hingewiesen habe. Es habe offenkundig überhöhte Anforderungen an die Substanziierungspflicht der Patientin gestellt und damit deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt . Laut VI. Zivilsenat dürfen an einen Vortrag medizinischer Laien – wie im Arzthaftungsprozess – nur maßvolle Anforderungen gestellt werden, wenn sich im Produkthaftungsverfahren medizinische Fragen stellen. Von ihnen könnten keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden; sie seien auch nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung Fachwissen anzueignen. Dies gelte sowohl für den klagebegründenden Sachvortrag als auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten.