Amtshaftung einer Krankenkasse wegen fehlerhafter Bescheidung

Erlässt eine Krankenkasse einen rechtswidrigen Bescheid über den Status eines Arbeitnehmers als sozialversicherungsbefreit, obwohl sie dafür nicht zuständig ist, kann sie grundsätzlich von ihm für den aufgelaufenen Schaden in Haftung genommen werden. Der Bundesgerichtshof bejahte eine Amtspflichtverletzung in einem Fall, in dem die Krankenkasse die gesetzliche Zuständigkeitsregelung verkannt hatte.

Mitarbeitender Familienangehöriger

Eine Firma beriet einen Mechatroniker, der in der Werkstatt seines Vaters arbeitete, dahingehend, er könne als Familienangehöriger des Arbeitgebers von der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung befreit werden. Der Arbeitsvertrag regelte dann auch, dass seine Arbeitszeiten frei wählbar seien und der Mechatroniker keinerlei Weisungen seines Vaters unterlag. Er reichte bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse einen erfolgreichen Antrag auf Befreiung von der Sozialversicherungspflicht ein und wechselte zu ihr. Fortan war er freiwillig und später privat bei ihr versichert. Zwei Jahre später focht die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) den Befreiungsbescheid vor dem Sozialgericht an. Die Krankenkasse gab ein Anerkenntnis ab und stellte rückwirkend die Versicherungspflicht gegenüber seinem Mitglied fest. Auch dieser Bescheid wurde wegen fehlender Zuständigkeit der Kasse vom Sozialgericht Karlsruhe aufgehoben. Eine Statusfeststellung durch den DRV erfolgte noch nicht. Nunmehr verlangte der Mechatroniker von der Krankenkasse im Weg der Amtshaftungsklage den Ersatz des bisher aufgelaufenen Schadens in Höhe von rund 26.000 Euro (Beiträge für zwei private Rentenversicherungsverträge abzüglich der Rückkaufswerte, nutzlos aufgewendete Beiträge zur privaten Krankenversicherung). Das Landgericht Stuttgart wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Stuttgart gab ihr dem Grunde nach statt. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung.

Amtspflicht durch Kompetenzverletzung missachtet

Die Krankenkasse hat dem BGH zufolge den Status rechtswidrig festgestellt, obwohl diese Entscheidung nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV a.F. allein der DRV vorbehalten ist, wenn Arbeitnehmer bei Familienangehörigen angestellt sind. Hierüber gebe es auch keinerlei Zweifel, weil der Wortlaut der Norm eindeutig sei. Im Übrigen hätten zum damaligen Zeitpunkt bereits zwei entsprechende Urteile des BSG vorgelegen. Damit habe der Sachbearbeiter als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne zugleich die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht zu rechtmäßiger Amtsausübung verletzt. Dieses Verhalten des Sachbearbeiters war laut den Bundesrichtern auch mindestens fahrlässig, weil dieser die Zuständigkeitsregelung verkannt hat. Zwar behauptete die Kasse eine ständige andere Verwaltungspraxis der Einzugsstellen, aber angesichts der klaren gesetzlichen Regelung vermochte dieser Einwand den BGH nicht zu überzeugen – eine abweichende Praxis sei unvertretbar.

Einwände erfolglos

Der Bundesgerichtshof hatte keine Einwände dagegen, dass das OLG dem Kläger aufgrund der Feststellungen des Landgerichts geglaubt hatte, ihm sei die Unrichtigkeit des Bescheids nicht bekannt gewesen. Es liege auch keine grob fahrlässige Unkenntnis vor. Er habe tatsächlich angenommen, dass die Versicherungsbefreiung legal sei. Der geltend gemachte Schaden falle auch in den Schutzbereich der Norm, weil die Statusfeststellung dem Versicherten auch Rechtssicherheit im Hinblick auf seine Zukunft im Alter vermitteln wolle.

BGH, Urteil vom 19.01.2023 - III ZR 234/21

Redaktion beck-aktuell, 17. Februar 2023.