70-Jahre-Altersgrenze diskriminiert Notare nicht

Der Senat für Notarsachen des BGH hat entschieden, dass die Altersgrenze für Notare mit EU-Recht vereinbar ist. Es herrsche kein Nachwuchsmangel im Notariat, zudem müssten jüngere Kolleginnen und Kollegen eine planbare Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate haben.

Gemäß § 47 Nr. 2, § 48a BNotO erlischt das Amt des Notars mit dem Ende des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet. Der Anwaltsnotar, der bis zum BGH klagte, wird im Laufe des Jahres 2023 das 70. Lebensjahr vollenden. Er macht geltend, die Altersgrenze verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art.  21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 1, Art. 2 Abs.  2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG).  

Die Altersgrenze sei angesichts eines mittlerweile eingetretenen erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Das OLG Köln und jetzt auch der BGH sahen dies anders.

Kein Nachwuchsmangel im Notariat

Der Senat für Notarsachen argumentiert, die Altersgrenze solle den Generationenwechsel erleichtern und den Berufsstand der Notare verjüngen. Das gelte immer noch: Ein für den Zeitraum 2020 bis 2022 eingeholtes Gutachten der Bundesnotarkammer habe ergeben, dass im hauptberuflichen Notariat bundesweit ein erheblicher Bewerberüberhang herrsche. Nur in den OLG-Bezirken, in denen Rechtsanwälte als Notare im Nebenberuf tätig sind, bestehe teilweise ein erheblicher Bewerbermangel. Insgesamt aber gebe es für den Notarberuf keinen Nachwuchsmangel.

Der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat habe andere, seit etwa 2010 bestehende strukturelle Gründe, so der Senat. Dazu gehörten vor allem die neben dem Anwaltsberuf vorzubereitende und abzulegende notarielle Fachprüfung sowie die sich stetig weiter erhöhenden (auch technischen) Anforderungen an die Ausübung des Nebenberufs.

Altersgrenze sichert Notar-Nachwuchs

Vor diesem Hintergrund sei die Altersgrenze auch im Anwaltsnotariat nach wie vor erforderlich, um ein legitimes Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 zu erreichen. Blieben lebensältere Notare mit gut eingeführten Notarstellen und einem großen Stamm an Urkundsbeteiligten ohne Altersgrenze im Amt, hätten jüngere Rechtsanwälte keine hinreichende und planbare Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate. Viele von ihnen würden den erheblichen Aufwand für den Einstieg in den Nebenberuf nicht auf sich nehmen.

Als der Gesetzgeber 2021 im Hinblick auf den bereits seinerzeit bestehenden Bewerbermangel im Bereich des Anwaltsnotariats einige Verbesserungen beschlossen (§ 48b und § 5b Abs. 3 BNotO), jedoch an der Altersgrenze festgehalten hat, habe er seinen ihm nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zustehenden Prognose- und Beurteilungsspielraum nicht verletzt, konstatierte der BGH. 

Man weiß nicht, wie tröstlich die Notarinnen und Notare das finden. Der Notarsenat jedenfalls sieht einen angemessenen Interessenausgleich auch darin, dass die Altersgrenze für Notare deutlich über den im Bund und in den Ländern geltenden Pensionsaltersgrenzen liege. Anwaltsnotare, die aus dem Amt ausscheiden, könnten außerdem den Beruf des Rechtsanwalts weiterhin ausüben und als Notarvertreter oder Notariatsverwalter tätig sein.

Redaktion beck-aktuell, jvh, 23. August 2023.