Airline muss volle Ticketkosten bei Annullierung erster Teilstrecke erstatten

Der wegen Annullierung bestehende Anspruch auf Erstattung der Ticketkosten nach der Fluggastrechte-Verordnung umfasst die Kosten des Hin- und Rückflugs, wenn beide zusammen gebucht wurden und ein einziger Flugschein ausgestellt worden ist. Dies gilt dem Bundesgerichtshof zufolge unabhängig davon, von welchem Ort aus der Rückflug vorgesehen war.

Erste Teilstrecke des Hinflugs wurde abgesagt

Eine Fluggesellschaft wurde aus abgetretenem Recht auf Erstattung von Flugscheinkosten in Anspruch genommen. Die Passagiere verfügten über eine bestätigte einheitliche Buchung für Hinflüge am 30./31.05.2020 von München über Madrid und Bogotá nach Quito sowie für Rückflüge am 13./14.06.2020 von Quito über Bogotá nach München. Die Buchung war über ein Reisebüro erfolgt. Für die Flugtickets bezahlte einer der Reisenden insgesamt 4.881 Euro. Das Luftfahrtunternehmen, das die erste Teilstrecke – der Hinflug von München nach Madrid – übernehmen sollte, annullierte diesen Flug. Die verlangte vollständige Erstattung der Kosten für die Hin- und Rückflüge lehnte die Airline ab.

LG: Erstattung der vollständigen Flugscheinkosten

Die Fluggesellschaft wurde sowohl beim AG Erding als auch beim LG Landshut zur Erstattung der vollständigen Flugscheinkosten aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO und § 398 BGB verurteilt. Die Revision der Airline beim BGH bliebe ohne Erfolg.

Gegenstand einer einheitlichen Buchung

Der X. Zivilsenat bestätigte die Entscheidung des LG. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO sei der Preis für alle Reiseabschnitte zu erstatten, weil bereits der erste Teilflug nicht stattgefunden habe und die Fluggäste die weiteren Reiseabschnitte ebenfalls nicht zurückgelegt hätten. Auch die Kosten des Rückflugs seien zu erstatten, weil Hin- und Rückflug Gegenstand einer einheitlichen Buchung waren, über die ein einziger Flugschein ausgestellt wurde. Zwar differenziere der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO nicht ausdrücklich zwischen Hin- und Rückflügen. Ihm lasse sich aber der Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass die ursprünglichen Reisepläne des Fluggastes maßgebend sein sollten und eine vollständige Erstattung für aus dessen Sicht zwecklose Reiseabschnitte erfolgen solle. Dies stehe in Einklang mit der Erwägung der Verordnung, Unannehmlichkeiten gering zu halten und ein hohes Schutzniveau zu erreichen. Dies müsse erst recht gelten, wenn Hin- und Rückflüge wie hier Teil einer einheitlichen Buchung seien. Ansonsten drohe die Aufspaltung eines einheitlichen Anspruchs und die Passagiere wären gezwungen, sich mit mehreren Fluglinien auseinanderzusetzen. Ob der Rückflug ebenfalls in den Anwendungsbereich der Verordnung falle, sei unerheblich. Die Klageansprüche seien allein auf die Streichung des Hinflugs gestützt.

BGH, Urteil vom 18.04.2023 - X ZR 91/22

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2023.