Äußerung einer Rechtsansicht ist nicht unlauter

Die Kundgabe einer Rechtsansicht kann einen Verbraucher nicht irreführen, falls er sie als solche erkennen kann. Dies entschied der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einer Leitsatzentscheidung vom 23.04.2020, und wies eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale gegen einen Energieversorger ab.

Unternehmen kündigt einseitige Preiserhöhung an

Die Verbraucherzentrale (Bund) mahnte erfolglos ein Fernwärmeversorgungsunternehmen ab, weil dieses ein Rundschreiben mit der Ankündigung einer Preiserhöhung an seine Kunden versandte. Dabei behauptete das Unternehmen, dass das Preissystem Teil der allgemeinen Versorgungsbedingungen sei und diese dürfe es einseitig ändern. Die Verbraucherzentrale betrachtete diese Aussage als irreführend im Sinn des § 5 Abs. 1 UWG: Sie enthalte die unwahre Angabe, dass das Unternehmen einseitig eine Preiserhöhung vornehmen könne. Der Kunde werde dadurch veranlasst, nicht gegen die Preiserhöhung vorzugehen.

Rechtsschutzbedürfnis besteht

Der Bundesgerichtshof hob die stattgebenden vorinstanzlichen Entscheidungen auf und wies die Klage ab. Der Senat folgte Land- und Oberlandesgericht mit Blick auf die Zulässigkeit der Klage: Solange die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage - wie hier - nicht Mittel zum Zweck sei, um dem Gegner im folgenden Verfahren über die Sache selbst die Hände zu binden, bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis.

Keine Irreführung des Verbrauchers

Ansonsten nahm der I. Zivilsenat aber eine klare Trennung nach dem Horizont des Durchschnittsverbrauchers vor. Zwar könnten auch Meinungsäußerungen irreführend sein, aber nur dann, wenn aus Sicht des Adressaten eine feststehende Tatsache behauptet werde. Hier äußere das beklagte Unternehmen lediglich seine Rechtsansicht und dies könne der durchschnittliche Verbraucher auch durchschauen. Damit sei keinerlei Irreführung des Verbrauchers zu erkennen, so die Richter.

BGH, Urteil vom 23.04.2020 - I ZR 85/19

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2020.