Ärztlicher Strohmann für Abrechnungsbetrug

Ein Vertragsarzt als Gesellschafter eines Medizinischen Versorgungszentrums hat keine Berechtigung, gegenüber Kassenärztlichen Vereinigungen abzurechnen, wenn er nur zum Schein eingesetzt wird. Jegliche Abrechnung ist dann als Betrug zu werten. Das hat der Bundesgerichtshof am 19.08.2020 entschieden.

Abrechnungsbetrug mit Kassenarzt

Ein Inhaber eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) und ein Apotheker setzten einen kassenärztlich zugelassenen Arzt im MVZ als Strohmann ein, um ihren Umsatz zu steigern: Das MVZ verschrieb Produkte des Apothekers (unter anderem Zytostatika), und der Unternehmer erhielt hierfür ein jährliches Bruttoeinkommen in Höhe von 180.000 Euro von seinem Mittäter. Der Arzt wurde benötigt, um die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 1a SGB V zu erfüllen: Danach ist nur ein Vertragsarzt zur Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) berechtigt. Das Trio erbeutete rund 2 Millionen Euro über Quartalsabrechnungen bei der KV über ärztliche Leistungen und bei der Techniker Krankenkasse über die Bezahlung von Medikamenten, die vom MVZ verordnet worden waren. Das Landgericht Hamburg verurteilte die drei Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zu Gesamtfreiheitsstrafen in Höhe von drei Jahren und sechs bzw. zehn Monaten. Alle Beteiligten legten Revision beim Bundesgerichtshof ein.   

Sinn des § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V

Der Gesetzgeber hat bei § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V dem BGH zufolge den Willen gezeigt, überwiegend kapitalorientierte Investoren ohne hinreichenden fachlichen Bezug von der kassenärztlichen Versorgung auszuschließen. Das Einsetzen eines ärztlichen Strohmanns stellt daher eine missbräuchliche Umgehung dar. Dieses kollusive Verhalten führe dazu, dass die Apotheke keinen Anspruch auf Bezahlung ihrer vom MVZ verschriebenen Produkte gegenüber der Krankenkasse habe. Auch Forderungen des MVZ auf Erstattung der ärztlichen Honorare gegen die KV bestünden nicht. 

Täuschung durch Einreichen der Quartalsabrechnungen

Der 5. Strafsenat bestätigte einmal mehr, dass ein Arzt mit Einreichen der Abrechnung konkludent erklärt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Abrechnung für das MVZ vorlägen. Das gelte auch für die Voraussetzung der vertragsärztlichen Zulassung. Eine ausdrückliche Erklärung sei im Abrechnungsverkehr mit den Leistungsträgern nicht notwendig, weil der Empfänger in die Richtigkeit ärztlicher Abrechnungserklärungen ein besonderes Vertrauen setze. Er erwarte also, dass alle Voraussetzungen der hierfür zugrundeliegenden Vorschriften eingehalten worden seien.

Revisionen teilweise erfolgreich

Das landgerichtliche Urteil wurde insoweit aufgehoben, als es jede Abrechnung auch für den Arzt als gesondert abzuurteilende Tat betrachtete. Dieser hatte jedoch nur einen einzelnen Tatbeitrag, nämlich den Eintritt in die Stellung des verantwortlichen Arztes für das MVZ, begangen. Diesen Beitrag erbrachte er einheitlich für alle Taten. Hinsichtlich des Apothekers übersah das Landgericht nach Ansicht des BGH, dass dieser die Quartalsabrechnungen bei der KV nicht eingereicht hatte, so dass insoweit nur ein sogenanntes uneigentliches Organisationsdelikt und damit nur eine Betrugstat gegeben war. Auch die Einziehungsentscheidung wurde aufgehoben, weil das Landgericht es versäumt hatte, die Aufwendungen der Täter nach § 73d Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Die Karlsruher Richter verwiesen die Sache insoweit an eine andere Wirtschaftsstrafkammer zurück.

BGH, Urteil vom 19.08.2020 - 5 StR 558/19

Redaktion beck-aktuell, 22. Oktober 2020.