Keine gemeinsame Haftanhörung: Nichtöffentlichkeit gilt auch unter Brüdern
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Ein Georgier und sein Bruder – beide in Abschiebehaft – wurden zusammen angehört. Aus Sicht des BGH ein eklatanter Rechtsverstoß: Haftanhörungen müssten grundsätzlich nichtöffentlich erfolgen. Dies gelte auch für Brüder. 

Ein georgischer Staatsangehöriger war in einer Abschiebungshaftsache im Beisein seines Bruders, der ebenfalls abgeschoben werden sollte, beim AG angehört worden. Die Ausländerbehörde hatte ihm ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verwehrt und den Ausweisungsbescheid mit Abschiebungsandrohung durch öffentlichen Aushang zugestellt. Zwischenzeitlich war er untergetaucht. Nach dem Anhörungstermin ordnete das AG Abschiebungshaft an. Für das LG völlig zu Recht: Aufgrund der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung sei die Ausreisepflicht unmittelbar vollziehbar gewesen. Die Anhörung zusammen mit seinem Bruder sei zwar ein Verfahrensfehler. Dieser habe sich aber nicht ursächlich auf die Durchführung der Anhörung ausgewirkt. Die Rechtsbeschwerde des Osteuropäers beim BGH hatte Erfolg.

Der für Rechtsbeschwerden in Freiheitsentziehungssachen zuständige XIII. Zivilsenat des BGH bescheinigte den Vorinstanzen einen derben Rechtsverstoß: Haftanhörungen hätten nach § 170 Abs. 1 S. 1 GVG in Verbindung mit § 23a Abs. 2 Nr. 6 GVG (Freiheitsentziehungssache) nichtöffentlich zu erfolgen – auch bei Brüdern. Werde in einem solchen Verfahren die Öffentlichkeit wie hier zu Unrecht zugelassen, begründe dies einen absoluten Rechtsbeschwerdegrund nach § 72 Abs. 3 FamFG, § 547 Nr. 5 ZPO (Beschluss vom 26.03.2024 – XIII ZB 29/21).

Nichtöffentliche Haftanhörungen auch für Brüder

Nach Ansicht des BGH hat das AG bei der Anhörung des Betroffenen gegen die Vorschriften über die (Nicht-)Öffentlichkeit verstoßen, indem es ihn zweifelsfrei gemeinsam mit seinem Bruder angehört habe. Dies belege unter anderem der Anhörungsvermerk, der feststellt, dass "die Betroffenen" zum Antrag des Ausländeramts angehört worden seien. Dort sei auch vermerkt, dass das AG die Öffentlichkeit zugelassen habe. Obwohl der Bruder nicht zum Kreis der teilnahmeberechtigten Personen gehörte – insbesondere nicht Beteiligter des hier zu beurteilenden Haftanordnungsverfahrens war; auch verbunden waren die beiden Verfahren nicht – nahm er an der Verhandlung teil, monierten die Karlsruher Richterinnen und Richter.

BGH, Beschluss vom 26.03.2024 - XIII ZB 29/21

Redaktion beck-aktuell, ns, 16. Mai 2024.