Ablehnung eines sarkastischen Richters

Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit kann begründet sein, wenn dieser in einem anderen Verfahren sarkastische Äußerungen über eine Partei von sich gegeben hat. War die Partei an diesem Prozess nicht beteiligt, so konnte sie die Äußerungen dort nicht rügen und kann sich für ihr Verfahren auf diese stützen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 15.09.2020 entschieden.

Richter mag Versicherung nicht

Eine Gebäudeversicherung verlangte von einem Spülmaschinenhersteller nach einem Brand Schadenersatz. Das Landgericht Verden wies die Klage ab. Daraufhin legte die Versicherung Berufung ein. Am 13.11.2019 fand die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Celle statt. Über ihren Ausgang informierte der Anwalt der Versicherung einen Sachbearbeiter der Versicherung anschließend in einem Telefonat. Der Angestellte konnte sich an den Namen des Vorsitzenden des Berufungssenats aus einem anderen Verfahren erinnern, in dem der Dachverband der Versicherung "V." Haftpflichtversicherer eines Streithelfers gewesen war. Seiner Aktennotiz zufolge hätte sich der Vorsitzende negativ über die Organisation geäußert: "Er möge die V. nicht; auf den halb im Scherz gemeinten Einwurf seiner Beisitzerin, er solle sich besser mäßigen, hatte er geäußert, er würde jedem Versicherten, der zu ihm komme, empfehlen, sich einen anderen Versicherer zu suchen." Aufgrund dessen lehnte die Assekuranz ihn am 19.11.2019 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Am 03.12.2019 teilte der abgelehnte Richter mit, die ihm vorgehaltenen Äußerungen seien gut möglich; das sei seiner manchmal sehr flapsig-sarkastischen Art geschuldet. Er bitte, ihm dies nachzusehen. Das OLG Celle wies den Befangenheitsantrag zurück: Der Ablehnungsgrund hätte im Parallelverfahren geltend gemacht werden müssen. Dabei sei unschädlich, dass der Verband nicht als Partei "beteiligt" gewesen sei. Der Ablehnungsgrund sei im Übrigen mit der dienstlichen Erklärung des Richters entfallen, da er darin sein Bedauern hinreichend zum Ausdruck gebracht habe.

BGH: An Rechtsstreit nicht beteiligt

Die Rechtsbeschwerde vor dem BGH hatte Erfolg. Aus Sicht der Karlsruher Richter war das Ablehnungsgesuch des Sachversicherers begründet. Entgegen der Auffassung des OLG Celle habe die Versicherung ihr Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO nicht durch den Umstand verloren, dass der Verband in der mündlichen Verhandlung des Parallelverfahrens kein Ablehnungsgesuch gegen den Richter gestellt hatte. Das Berufungsgericht habe übersehen, dass die Versicherung nicht mit dem Dachverband gleichgesetzt werden könne. In dem anderen Verfahren habe sie keine Verfahrenshandlungen vornehmen können, da sie am Rechtsstreit nicht beteiligt gewesen sei.

Ablehnungsgrund nicht bekannt gewesen

Dem BGH zufolge hat die Versicherung ihr Recht, den Vorsitzenden des Berufungssenats wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, auch nicht deshalb verloren, weil sie am 13.11.2019 mündlich verhandelt hat. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr der Ablehnungsgrund nicht bekannt gewesen. Erst nach dem unwidersprochenen und durch die eidesstattliche Versicherung des Sachbearbeiters belegten Telefonat im Anschluss an die mündliche Verhandlung sei die Kenntnis des Namens des Richters mit dem Wissen über die Existenz des Aktenvermerks zusammengeführt worden. Den Informationsstand des Bevollmächtigten und des Mitarbeiters müsse sich das Unternehmen jeweils zurechnen lassen. Laut VI. Zivilsenat findet eine Zusammenrechnung entsprechend einem fiktiven Gesamtwissen allerdings nicht statt. Insofern rechtfertige die Äußerung des abgelehnten Richters aus Sicht der Versicherung die Befürchtung, dieser stehe dem Verband und damit auch ihr als eines der in ihm zusammengeschlossenen Körperschaften nicht unvoreingenommen gegenüber. Auch die dienstliche Erklärung könne die Zweifel an dessen Unparteilichkeit nicht beseitigen.

BGH, Beschluss vom 15.09.2020 - VI ZB 10/20

Redaktion beck-aktuell, 6. Oktober 2020.