Ablehnung eines „Diesel-Richters“

Die (Selbst-)Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit kann begründet sein, wenn der zu entscheidende Sachverhalt ihn selbst betrifft. Bei Fällen der Abgasmanipulation ist dies so, wenn er ein betroffenes Fahrzeug besitzt und möglicherweise Ansprüche gegenüber einer Partei bestehen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28.07.2020 entschieden.

Richter lehnt sich selbst ab

Ein Käufer hatte im Zusammenhang mit dem "Dieselskandal" die Daimler AG und die Verkäuferin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht Duisburg wies die Klage ab. Daraufhin legte der Autofahrer Berufung ein. Der Vorsitzende des Berufungssenats – seit Jahren Halter eines vom Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeugs – hielt sich selbst für befangen und lehnte sich ab. Er teilte mit, der Automobilkonzern habe ihm ein Software-Update für seinen Mercedes angeboten. Dies habe er nach Rücksprache mit der technischen Beratung des ADAC wegen eventueller negativer Folgen abgelehnt. Eine Inanspruchnahme von Hersteller oder Händler überprüfe er. Die Antwort des Anwalts des Verkehrsklubs stehe noch aus. Aufgrund dessen lehnte ihn auch Daimler wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das OLG Düsseldorf erklärte die Selbstablehnung für unbegründet und wies den Befangenheitsantrag zurück: Es bestehe kein – auch nur mittelbares – Eigeninteresse des Richters am Ausgang des Rechtsstreits.

BGH: Der "böse Schein" genügt

Die Rechtsbeschwerde vor dem BGH hatte Erfolg. Aus Sicht der Karlsruher Richter waren das Ablehnungsgesuch des Autobauers sowie die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters begründet. Zu Unrecht habe das OLG Düsseldorf den Umstand, dass er von einem Juristen des ADAC die Geltendmachung von Ansprüchen prüfen lasse, nicht als Ablehnungsgrund nach § 42 ZPO angesehen. Von einer "bloßen Sozialbefangenheit", wie es sein Senat formuliert hatte, könne man nicht mehr ausgehen. Spätestens nach der Einschaltung des Vertragsanwalts sei es um mehr als die Klärung von technischen Fragen zum Softwareupdate gegangen. Jetzt bestand, so der BGH, die Gefahr, dass sich der Vorsitzende möglicherweise dienstlich mit den gleichen Fragen auseinandersetzen müsste, wie sie sich ihm auch privat stellen könnten. Dieser Umstand sei geeignet, vom Standpunkt des Herstellers aus Zweifel an Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit aufkommen zu lassen. Aus Sicht des VI. Zivilsenats ist unerheblich, von welchen Erwägungen er sich bei seiner Entscheidung in eigener Sache leiten lassen könnte und ob die diesbezüglichen Vermutungen seiner Düsseldorfer Kollegen zutreffen. Es genüge bereits der "böse Schein", die tatsächliche Einstellung des Richters sei nicht ausschlaggebend.

BGH, Beschluss vom 28.07.2020 - VI ZB 95/19

Redaktion beck-aktuell, 25. September 2020.