OLG als bloßer Durchlauferhitzer
Ein Autokäufer hatte im Zusammenhang mit dem „Dieselskandal“ Volkswagen die Verkäuferin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht Chemnitz wies die Klage ab. Daraufhin legte der Halter Berufung ein. Im April 2020 hatte sich der Präsident des OLG Dresden mit einem Schreiben zur "Weiteren Bearbeitung der sogenannten VW-Verfahren" bundesweit an alle Kollegen gewandt. Darin regte er an, "die betreffenden Senate in Ihrem Haus um Prüfung zu bitten, ob weitere Entscheidungen in Dieselverfahren zurückgestellt werden könnten. [...] Die Rolle eines bloßen Durchlauferhitzers für die nächste Instanz zu spielen", mache keinen Sinn. Aus Sicht des Dieselfahrers stünden die unter dessen Dienstaufsicht tätigen Richter persönlich unter Druck, wenn sie sich dieser Vorstellung widersetzten. Aufgrund dessen lehnte er „alle Richter des OLG Dresden“ am 26.06.2020 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zudem beantragte er, nach § 36 Abs. 1 ZPO das zuständige Gericht zu bestimmen. Das OLG legte das Ablehnungsgesuch dem BGH nach § 45 Abs. 3 ZPO zur Entscheidung vor: Es halte dieses – auch wenn die abgelehnten Richter namentlich nicht bekannt seien – nicht für klar unzulässig und sehe daher von einer Selbstentscheidung ab.
BGH: Dienstaufsicht beeinflusst Unvoreingenommenheit nicht
Der Ablehnungsantrag hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Die Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs ergebe sich allerdings nicht bereits daraus, dass es sich gegen alle Richter des OLG Dresden wende und sie zudem nicht benannt würden. Zwar sei anerkannt, dass eine Ablehnung, die sich pauschal gegen einen Spruchkörper oder sogar gegen sämtliche Richter eines Gerichts richte, in der Regel eindeutig unzulässig sei. Eine Ausnahme hiervon besteht, so der BGH, wenn sich die abgelehnten Richter über einen darüber hinaus geltend gemachten Umstand zweifelsfrei bestimmen lassen. Der Autofahrer habe mit dem Schreiben des Präsidenten einen solchen geltend gemacht. Dieser beziehe sich auch auf weitere als diejenigen Richter, die originär für die „Diesel-Verfahren“ zuständig seien.
Aus Sicht der Karlsruher Richter war das Ablehnungsgesuch des Käufers aber unbegründet. Mit seiner allein auf "Mutmaßungen" beruhenden Sichtweise messe er dem Schreiben eine Bedeutung bei, die dieses bei objektiver Betrachtung für die Richterschaft des OLG Dresden nicht habe. Ein Eigeninteresse der Richter, vermeintliche nachteilige Auswirkungen auf ihre dienstlichen Beurteilungen zu vermeiden, habe nicht bestanden. Eine vernünftige Partei dürfe darauf vertrauen, dass ein Berufsrichter willens und in der Lage sei, seine Entscheidung an Recht und Gesetz und nicht etwa an dem möglicherweise angestrebten Ziel einer Beförderung auszurichten. Insofern sei der weitere Antrag, das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu bestimmen, damit gegenstandslos.