BGH: Abgeordneten-Status berechtigt nicht zur Grundbucheinsicht

Abgeordneten von Bundestag und Landtagen gibt ihre Stellung als Parlamentarier nicht automatisch das Recht, das Grundbuch einzusehen. Die Kontrollfunktion der Parlamente gegenüber Regierung und Verwaltung könne zwar ein öffentliches Interesse an der Einsicht begründen, entschied der Bundesgerichtshof in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 09.01.2020. Dafür müsse die Einsicht aber der Aufklärung von konkreten Missständen oder Fehlverhalten dienen. Allgemeine Informationszwecke reichten nicht aus (Az.: V ZB 98/19, in BeckRS 2020, 5571).

Berliner Linke-Abgeordnete verlangte Grundbucheinsicht

In Berlin strebt ein Bündnis von Mieterinitiativen derzeit ein Volksbegehren zur Enteignung von Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen an. Es zielt vor allem auf den Konzern Deutsche Wohnen ab, der im Raum Berlin mehr als 100.000 Wohnungen bewirtschaftet. Die Sprecherin für Stadtentwicklung und Wohnen der Linke-Fraktion, Gaby Gottwald, hatte vor diesem Hintergrund beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg Grundbuch-Einsicht beantragt. Sie wollte Einblick in sämtliche Grundbücher, in denen Grundstücke verzeichnet sind, die der Deutschen Wohnen oder Tochterunternehmen gehören. Wirksame Kontrolle sei nur bei genauer Kenntnis der Anzahl und Lage der betroffenen Immobilien möglich, argumentierte sie.

BGH verneint berechtigtes Interesse an Grundbucheinsicht

Grundbuchamt und Berliner Kammergericht verweigerten Gottwald die Einsicht - zu Recht, entschied nun der BGH und wies die Rechtsbeschwerde der Abgeordneten zurück. Die Grundbuchordnung gestatte jedem die Einsicht, "der ein berechtigtes Interesse darlegt". Dies fehle hier jedoch. Das Grundbuch enthalte eine Fülle persönlicher, familiärer, sozialer und wirtschaftlicher Daten. Ein berechtigtes Interesse sei deshalb nur anzunehmen, "wenn ein konkretes Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf das konkrete Grundstück dargelegt wird“. Nicht gerechtfertigt sei der Eingriff in Grundrechte dagegen, wenn ein Abgeordneter die Informationen nur wolle, um sie in der öffentlichen Debatte zu nutzen oder daraus politische Forderungen abzuleiten.

Redaktion beck-aktuell, 16. April 2020 (dpa).