Abgasskandal: Grenzen der Pflicht zur Nachlieferung eines Nachfolgemodells

Bei einem auf Ersatzlieferung gerichteten Nacherfüllungsbegehren muss grundsätzlich geprüft werden, ob das ursprüngliche Fahrzeugmodell noch hergestellt wird. Ein Nachfolgemodell ist vom Verkäufer solange nicht zu beschaffen, wie er den ursprünglich gelieferten Wagen noch nachliefern kann, bekräftige der Bundesgerichtshof. Für die Rückwirkung der Verjährungshemmung komme es im Übrigen lediglich auf die durch die Gütestelle veranlasste Bekanntgabe des Antrags an den Antragsgegner an.

Nachlieferung eines Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion verlangt

Der Käufer eines vom Dieselskandal betroffenen Škoda Superb Combi 2.0 TDI Active nahm einen Autohändler auf kaufrechtliche Nacherfüllung in Anspruch. Das Fahrzeug wurde am 21.05.2015 übergeben. Es stand ein zur Beseitigung der Abschalteinrichtung entwickeltes und vom Kraftfahrtbundesamt freigegebenes Software-Update zur Verfügung. Ob der Kläger das Software-Update aufspielen ließ, ist nicht bekannt. Im Mai 2017 reichte der Dieselfahrer bei einer staatlich anerkannten Gütestelle einen Antrag auf Einleitung des Güteverfahrens gegen den Verkäufer ein, und verlangte die Lieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs gegen Rückübereignung des erworbenen Wagens. Zwischen den Parteien war streitig, ob der Beklagte den Antrag der Gütestelle vom 23.05.2017 erhalten hat. Im August 2017 informierte die Stelle den Kläger, dass das Güteverfahren gescheitert war. Während das LG Wuppertal das Gesuch abwies, verurteilte das OLG Düsseldorf den Händler, dem Kläger ein "neues EU-Importfahrzeug Škoda Superb Combi" mit "zumindest" den nachfolgend aufgeführten technischen Merkmalen, unter anderem dem Merkmal "schadstoffarm nach Abgasnorm Euro 5", nachzuliefern. Der Anspruch auf Nachlieferung sei nicht dadurch erloschen (§ 275 Abs. 1 BGB), dass das Auto möglicherweise nicht mehr hergestellt werde und die Lieferung des aktuellen Serienmodells begehrt werde, so die Begründung. Die Revision des Beklagten beim BGH hatte vorerst Erfolg.

Umfang der vertraglichen Beschaffungspflicht ist klärungsbedürftig

Dem VIII. Zivilsenat zufolge kann nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Autokäufer der Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs zusteht (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Zwar sei der Anspruch durch die Anrufung der Gütestelle nicht verjährt, es fehle aber an hinreichenden Feststellungen des OLG zu den Umständen, die für die Prüfung des Umfangs der vertraglichen Beschaffungspflicht des Beklagten im Rahmen der von dem Kläger gewählten Art der Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs (aus der aktuellen Serienproduktion) maßgeblich seien, monierten die obersten Zivilrichter. Das OLG hätte prüfen müssen, ob das erworbene Fahrzeugmodell infolge eines Modellwechsels nicht mehr beschafft werden könne. Der Vortrag des Beklagten, der Kläger habe sich wegen des günstigen Preises für einen EU-Reimport entschieden und damit nicht für den Kauf eines aktuellen Serienmodells, könne eine Beschaffungspflicht des Beklagten entfallen lassen. Zudem fehlten Ausführungen dazu, wann der Kläger die Nacherfüllung gegenüber dem Beklagten erstmals geltend gemacht habe. Der BGH verwies die Sache daher zur weiteren Klärung an das OLG zurück.

BGH, Urteil vom 04.05.2022 - VIII ZR 50/20

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2022.