Unterbringung: Medizinische Zwangsbehandlung nur mit psychiatrischem Gutachten

Eine Zwangsmedikation kann nur aufgrund eines Sachverständigengutachtens erfolgen, das von einem Psychiater erstellt worden ist. Ist der Gutachter ein Neurologe, muss das Gericht dem BGH zufolge darlegen, inwieweit der Sachverständige über psychiatrische Kenntnisse verfügt.

Ein an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie erkrankter Mann erhielt eine Betreuerin, die beim Betreuungsgericht beantragte, eine medizinische Zwangsbehandlung zu genehmigen. Nachdem er aus einem Fenster gesprungen war und sich dabei beide Fersenbeine gebrochen hatte, wurde er zunächst untergebracht. Als er sich dort weigerte, seine Medikamente zu nehmen, wurde die Zwangsmedikation aus Sicht der Betreuerin notwendig.

Ihr Antrag wurde genehmigt, obwohl der Untergebrachte sich dagegen wehrte. Auch das LG, das seine Entscheidung auf ein neues Gutachten eines Neurologen stützte, wies seine Beschwerde ab, ohne ihn selbst anzuhören. Seine Rechtsbeschwerde zum BGH war endlich erfolgreich.

In Unterbringungssachen ist der Gutachter ein Psychiater

Die Bundesrichterinnen und Bundesrichter (Beschluss vom 12.06.2024 – XII ZB 197/24) erklärten den Beschluss des LG für rechtswidrig, weil es unter gleich zwei gravierenden Verfahrensmängeln leidet: Es fehlte an einer erneuten Anhörung des Betroffenen und an einer Darlegung der Eignung des Gutachters.

§ 319 Abs. 2 Satz 1 FamFG gebiete eine erneute Anhörung, wenn das Gericht neue Tatsachen berücksichtigen wolle, so der BGH. Dem Untergebrachten müsse ermöglicht werden, alle relevanten Umstände zu diskutieren, daher scheide eine Entscheidung ohne neue Anhörung nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG aus.

Außerdem bemängelte der XII. Zivilsenat die Verwertung des neuen Gutachtens: Der Sachverständige sei lediglich Facharzt für Neurologie. § 321 Abs. 1 Satz 4 FamFG bestimme aber, dass die Notwendigkeit der Unterbringung durch einen Arzt für Psychiatrie begutachtet werden müsse. Wenn das Gericht also einen Neurologen beauftrage, müsse es darlegen, welche Erfahrungen er auf dem Gebiet der Psychiatrie mitbringe, um für die Aufgabe qualifiziert zu sein. Daher ist das Gutachten laut BGH wertlos und kann nicht Grundlage der Entscheidung sein.

Da sich die Maßnahmen bereits durch Zeitablauf erledigt hatten, war nur noch festzustellen, dass sie rechtswidrig waren und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

BGH, Beschluss vom 12.06.2024 - XII ZB 197/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 22. Juli 2024.