Unverlangte Reklamepost kann nervig sein und gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Hier aber berief sich ein Betroffener auf das Datenschutzrecht, um wegen einer solchen Kontaktaufnahme Geld zu kassieren. Er hatte im Januar 2019 für seinen Briefkasten einen Sticker erstanden, um Betteln und Hausieren zu verbieten. Mit einer Mail brachte sich der Verkäufer im März 2020 in Erinnerung: Er sei weiterhin für ihn da und trotz der Corona-Pandemie stehe der volle Service zur Verfügung.
Das passte dem Empfänger der Mail gar nicht: Noch am selben Tag reagierte er seinerseits mit einer Mail, mit der er der "Verarbeitung oder Nutzung" seiner Daten "für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung auf jeglichem Kommunikationsweg" widersprach. Mehr noch: Neben der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangte er 500 Euro "Schmerzensgeld gem. Art. 82 DS-GVO". Zweieinhalb Wochen später schickte er zusätzlich ein gleichlautendes Fax hinterher.
All das forderte er dann auch in seiner Klage. Da sich das Unternehmen inzwischen zur Unterlassung verpflichtet hatte, gab das AG Tuttlingen (nur) insoweit dem Mann Recht. Mehr wollte ihm auch das LG Rottweil nicht zugestehen. Der BGH schmetterte die Geldforderung nun ebenfalls ab (Urteil vom 28.01.2025 – VI ZR 109/23). Der für Deliktsrecht zuständige VI. Zivilsenat ließ dabei ausdrücklich offen, ob überhaupt ein Verstoß gegen die DS-GVO vorlag, was die Vorinstanz noch angenommen hatte – nämlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten ohne eine der in deren Art. 6 genannten Rechtfertigungen. Doch einen immateriellen Schaden sah man jedenfalls in Karlsruhe genauso wenig wie zuvor in Rottweil und Tuttlingen. Und einen materiellen Schaden hatte der Verbraucher gar nicht erst geltend gemacht.
Keine Bagatellgrenze
In der näheren Begründung korrigierten die Bundes- allerdings die Landrichter. Die hatten einen Schadensersatzanspruch verneint, weil die Kontaktaufnahme keine Bagatellschwelle überschritten habe, der Mann habe "lediglich substanzlose und allgemeine Belästigungen" dargelegt. Der VI. Senat setzte sich hingegen ausführlich mit der Rechtsprechung des EuGH zu dem Thema auseinander, die er weitgehend bereits in einem früheren Urteil vom vergangenen November umgesetzt hatte. Danach müsse die DS-GVO weit ausgelegt werden, um ihren Zielen gerecht zu werden. Somit dürfe von den Gesetzen oder Gerichten auch kein "bestimmter Grad an Schwere oder Erheblichkeit" für eine Entschädigung verlangt werden. Allerdings reicht auch den Europarichtern zufolge eine bloße Rechtsverletzung nicht aus – erforderlich sei vielmehr ein dadurch verursachter Schaden.
In der Revision ließ der Aufkleber-Besteller vortragen, durch derartige Zusendungen werde das ungute Gefühl erweckt, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt gemacht worden seien – eben weil die Informationen unbefugt verwendet worden seien. Er habe sich mit der Abwehr der unerwünschten Werbung und der Herkunft der Daten auseinandersetzen müssen, "was zu einem durchaus belastenden Eindruck des Kontrollverlusts" geführt habe. Außerdem habe der Anbieter zunächst weder auf die Protestmail noch das Fax reagiert. Darin komme eine erneute Missachtung zum Ausdruck.
Kontrollverlust nötig
Hier konterten die obersten Zivilrichter jedoch mit dem Hinweis auf einen anderen EuGH-Entscheid: Zwar könne danach schon der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über persönliche Daten einen immateriellen Schaden darstellen, ohne dass dies den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordere. Doch hätten die Europarichter in dem zuvor erwähnten Urteil klargestellt, dass Betroffene "einen solchen – das heißt in einem bloßen Kontrollverlust als solchem bestehenden – Schaden" nachweisen müssten. Dann bedürfe es "keiner sich daraus entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Person"; diese wären lediglich geeignet, den eingetretenen immateriellen Schaden noch zu vertiefen oder zu vergrößern. Genau einen solchen Kontrollverlust hat der Kläger laut BGH aber gar nicht erlitten, weil das Unternehmen die privaten Angaben offenbar gar nicht an Dritte weitergegeben habe.
Sei dies nicht nachweisbar, könne zwar auch die konkrete Befürchtung einer missbräuchlichen Verwendung genügen, so der EuGH in einem dritten Judikat. Eine bloße Behauptung einer solchen Befürchtung oder ein rein hypothetisches Risiko genüge hingegen nicht, wie die Urteilsfinder und -finderinnen auf dem Kirchberg-Plateau in Luxemburg klargestellt hatten. Und solche Sorgen fanden deren Karlsruher Kollegen "nicht ohne Weiteres nachvollziehbar" dargetan.