Ein Werkbesteller durfte eine vereinbare Vertragsstrafe in voller Höhe verlangen, nachdem er wegen nicht termingerechter Fertigstellung eines abnahmefertigen Bauwerks vom Bauträgervertrag zurückgetreten ist. Ein Rücktritt führe nicht schon per Gesetz zum Erlöschen eines bereits entstandenen Anspruchs auf Vertragsstrafe, meint der BGH (Urteil vom 22.05.2025 – VII R 129/24).
7,3 Millionen Euro sollte das Projekt kosten, doch am Ende ist der Deal geplatzt. Der verkaufende Bauträger hatte sich verpflichtet, vor der Übergabe ein Fabrikgebäude auf dem Grundstück in ein Wohnhaus mit 27 Wohnungen umzubauen. In zwei Jahren – bis Oktober 2022 – sollte der Umbau fertiggestellt sein, andernfalls sah der Vertrag eine Vertragsstrafe von maximal 5% des Kaufpreises vor. Zusätzlich wurde in dem Vertrag ein beidseitiges, viermonatiges Rücktrittsrecht vereinbart, für den Fall, dass der Umbau ab August 2022 immer noch nicht fertig gestellt war (sogenanntes "Longstop-Date").
So kam es schließlich auch: Der Umbau wurde nicht abnahmereif gestellt, und am letztmöglichen Tag erklärte das Käuferunternehmen den Rücktritt. Es forderte jedoch nicht nur die Rückabwicklung, sondern auch die vereinbarte Vertragsstrafe in voller Höhe. Das LG Berlin sprach ihm einen Teilbetrag in Höhe von 100.000 Euro zu, das KG gab der erweiterten Berufung in voller Höhe statt: Der Bauträger habe die vollen 5% - also 365.000 Euro – nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision des Bauträgers hat der BGH nun abgewiesen: Es bleibt bei der Vertragsstrafe.
Die Daseinsberechtigung der Vertragsstrafe
Das KG hatte festgestellt, dass zwischen dem Fertigstellungstermin im Oktober 2020 und dem Rücktritt im Dezember 2022 insgesamt 268 Tage verstrichen seien. Der Bauträger habe für diese Zeitspanne nicht dargelegt, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hatte. Entsprechend sei der Höchstbetrag der vereinbarten Vertragsstrafe (1.276,57 Euro pro Werktag bis maximal 5% des Kaufpreises) erreicht gewesen.
Die Vertragsstrafe an sich werde durch den Rücktritt des Käufers gerade nicht berührt. Ein Vertragsstrafeversprechen zeichne sich gerade dadurch aus, dass es neben der geschuldeten Primärleistung (hier: der Umbau bzw. Übereignung) anfalle. Das Gericht stellte auf § 325 BGB ab, der ausdrücklich regelt, dass ein Rücktritt etwaigen Schadensersatz nicht ausschließt. Der Paragraf spreche zwar nicht von einer Vertragsstrafe, diese käme einem Schadensersatz aber gleich, solange sie einen etwaigen Verzugsschaden pauschalisiere. So sei es hier geregelt worden – zwar nicht ausdrücklich, eine Auslegung des Vertrages nach seinem Sinn und Zweck würde aber gerade ergeben, dass der Verzugsschaden auch im Rücktrittsfall anfallen sollte. Das ergebe sich auch vor dem Hintergrund des § 305c Abs. 2 BGB, wonach AGB-Klauseln im Zweifel zu Lasten des Verwenders (hier: des Bauträgers) gehen sollten.
BGH stärkt das Strafversprechen
Dieser Einschätzung stimmte der BGH im Ergebnis zu, wenngleich mit differenzierterer Begründung. Ob der Vertrag tatsächlich dahingehend auszulegen sei, dass die Vertragsstrafe als pauschalisierter Schadensersatz auch im Rücktrittsfall bestehen soll, sei Sache der Tatrichter. Der BGH als Revisionsinstanz könne das nur beschränkt überprüfen, sodass insoweit die Ausführungen der Vorinstanz galten. Die sei zwar fälschlicherweise von AGB ausgegangen, im Übrigen habe der VII. Zivilsenat keine grundlegenden Auslegungsfehler gefunden.
Es könne auch offen bleiben, ob nach der Vertragsauslegung ein Nebeneinander von Rücktritt und Vertragsstrafe bewusst gewollt war, oder ob der Vertrag dem nur nicht widersprach. Denn das Ergebnis sei in beiden Fällen gleich: Wäre das Nebeneinander ausdrücklich gewollt, wäre ein Anspruch auf Vertragsstrafe (logischerweise) ohne Weiteres begründet. Stünde der Vertrag nur nicht entgegen, käme das Gesetz ergänzend zum gleichen Ergebnis.
Ein Rücktritt führe nämlich nicht notwendigerweise zum Erlöschen einer Vertragsstrafe, sondern in erster Linie nur zu einer Umgestaltung des Vertragsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc). Die Primärleistungspflichten würden zwar erlöschen, der Vertrag werde aber nicht etwa in seinen Ursprungszustand zurückversetzt. Es sei eine Frage des Einzelfalles, welche Rechte und Pflichten Teil des Rückgewährschuldverhältnisses seien.
So spreche der Zweck der Vertragsstrafe in zweifacher Hinsicht dafür, ein Nebeneinander mit dem Rücktritt zu erlauben. Er solle den Schuldner einerseits dazu anhalten, pünktlich zu leisten (Druckfunktion) und andererseits einen pauschalen Betrag für etwaige Verzugsschäden festlegen. Der Gläubiger einer Vertragsstrafe wolle sich damit gerade ersparen, Verzugsschäden im Einzelnen darlegen und beweisen zu müssen (Ausgleichsfunktion). Diese Ziele ließen sich nur deutlich schwieriger erreichen, wenn ein Rücktritt die Vertragsstrafe automatisch entfallen lassen würde. Der Schuldner gerate etwa weniger unter Druck, da er durch eine Verzögerung einfach einen Rücktritt provozieren könne. Der Gläubiger erhielte nach einem Rücktritt keinen pauschalisierten Schadensersatz mehr und müsste spätestens bei Eintritt des Verzuges schon Maßnahmen ergreifen, um die Verzugsschäden später beweisen zu können. Vor genau diesem Aufwand wolle die Vertragsstrafe ihn gerade bewahren.
Es sei seitens des Gläubigers auch nicht treuwidrig, das Rücktrittsrecht im vorgesehenen Zeitraum auszuüben. Insbesondere hätte der Käufer hier nicht irgendwie von einem Rücktritt absehen müssen, um dem Bauträger die Erfüllung offen zu halten. Dieser müsse keine weitere Chance auf einen Entfall der Vertragsstrafe dadurch bekommen, dass der Käufer die Leistung (etwa versehentlich) ohne den nötigen, neu erklärten Strafvorbehalt (§ 341 Abs. 3 BGB) annehme.