Ein Rechtsschutzversicherer machte gegen einen Anwalt Kostenschäden aus der Deckung von Prozesskosten für Verfahren mehrerer bei ihm versicherter Anleger geltend. Diese hatten sich über eine Treuhandkommanditistin, eine Steuerberatungsgesellschaft, an einer Fondsgesellschaft beteiligt und daraus Verluste erlitten. Dafür sollte der Berufshaftpflichtversicherer der Steuerberatungsgesellschaft geradestehen. Die Klagen der Anleger blieben aber durch alle Instanzen ohne Erfolg.
Der Rechtsschutzversicherer nahm den Anwalt der Anleger aus übergegangenem Recht wegen fehlerhafter Beratung in Anspruch. Er warf dem Anwalt vor, die Anleger nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass ihre Klagen keine Chancen auf Erfolg haben. Wie das die Klagen abweisende LG monierte das OLG, dass die Anleger nicht über die erheblichen Prozessrisiken informiert worden seien. Anders als das LG bejahte das OLG aber auch die Kausalität der Pflichtverletzung für den Kostenschaden und daher eine Haftung des Anwalts: Denn hätte der Anwalt die Anleger richtig beraten, hätten sie von der Rechtsverfolgung Abstand genommen. Da die Klagen objektiv aussichtslos gewesen seien, spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass sich die Anleger bei korrekter Beratung entsprechend verhalten hätten.
Kein Anscheinsbeweis: Rechtsverfolgung war nicht objektiv aussichtslos
Das ließ der BGH auf Revision des Anwalts nicht stehen (Urteil vom 16.05.2024 - IX ZR 38/23). Er zieht seine Grundsätze heran, die er zum Eingreifen des Anscheinsbeweises bei fehlerhafter Beratung rechtsschutzversicherter Mandanten über die Erfolgsaussichten eines rechtlichen Vorgehens entwickelt hat. Danach greife der Anscheinsbeweis nur dann ein, wenn die Rechtsverfolgung des Mandanten objektiv aussichtslos war.
Dies könne der Fall sein, wenn eine Rechtsfrage, auf die es ankomme, höchstrichterlich abschließend geklärt ist. Fehle eine höchstrichterliche Klärung, müsse die Beurteilung der Erfolgsaussichten aus der maßgeblichen Sicht ex ante "in jeder Hinsicht unzweifelhaft" gewesen sein, um eine objektive Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung anzunehmen, so der BGH in Anwendung seiner Grundsätze.
Laut BGH griff danach kein Anscheinsbeweis ein. Zur maßgeblichen Rechtsfrage im Verfahren gegen die Steuerberatungsgesellschaft habe es keine Rechtsprechung gegeben. Nicht einmal in der Literatur sei die Frage diskutiert worden. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten sei auch mit Blick auf die Versicherungsbedingungen des Berufshaftpflichtversicherers nicht in jeder Hinsicht unzweifelhaft gewesen.