Eine Anwaltskanzlei hatte einen Mann in einem Berufungsverfahren vertreten und hierfür von dessen Rechtsschutzversicherung einen Vorschuss auf eine Terminsgebühr bekommen. Zu einer Verhandlung kam es allerdings nicht, da die Berufung des Versicherungsnehmers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wurde. Der Versicherer verlangte den Vorschuss daraufhin von der Kanzlei zurück.
Etwa drei Monate später beantragte die Kanzlei die Festsetzung ihrer Vergütung inklusive einer Terminsgebühr aufgrund eines Telefonats mit dem Anwalt der Gegenseite. Das Gericht kam dem nach, doch der Versicherer, der am Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG nicht beteiligt war, wollte diesen Beschluss nicht gegen sich gelten lassen. Mit seiner Rückzahlungsklage hatte der Versicherer vor dem AG noch Erfolg, unterlag aber in zweiter Instanz. Das LG vertrat die Ansicht, der Beschluss nach § 11 RVG sei auch zwischen dem Versicherer und der Kanzlei wirksam.
Dem trat nun der BGH entgegen, der das LG-Urteil aufhob und die Sache zurückverwies (Urteil vom 12.06.2025 - IX ZR 163/24). Der Versicherer müsse den grundsätzlich nur zwischen den Parteien wirkenden Vergütungsbeschluss nicht gegen sich gelten lassen, führte der IX. Zivilsenat aus. Weder aus § 325 Abs. 1 ZPO, der die Rechtskraft auch auf Rechtsnachfolger der Parteien erstreckt, noch aus § 407 Abs. 2 BGB ergebe sich eine Bindungswirkung des Beschlusses zwischen Versicherer und Kanzlei.
BGH: Keine Rechtskrafterstreckung des Festsetzungsbeschlusses
Eine Rechtskrafterstreckung nach § 325 Abs. 1 BGB verneinte der BGH ebenfalls, weil der Versicherer nicht "nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit", sondern bereits vor Einleitung des Vergütungsfestsetzungsverfahren Rechtsnachfolger gewesen sei. Denn ein etwaiger Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die Kanzlei auf Rückzuzahlung des Vorschusses aus §§ 675, 667 BGB sei auf den Versicherer schon mit dessen Vorschusszahlung an die Kanzlei nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG übergegangen.
Auch aus §§ 407 Abs. 2, 412 BGB ergebe sich keine Bindung des Versicherers an den Beschluss. Nach dieser Regelung muss der neue Gläubiger, bzw. die neue Gläubigerin ein rechtskräftiges Urteil gegen sich gelten lassen, das in einem nach Forderungsübergang zwischen Schuldnerin und bisherigem Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit über die Forderung ergangen ist, es sei denn, die Schuldnerin hat den Forderungsübergang bei Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt. Die Kanzlei habe aber gewusst, dass etwaige Rückzahlungsansprüche auf den Versicherer übergegangen seien, als sie die Vergütungsfestsetzung beantragte, so der BGH.
Keine analoge Anwendung nötig
Das LG hatte hier eine analoge Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB für angezeigt gehalten. Es argumentierte damals, die Situation der Kanzlei sei mit der eines gutgläubigen Schuldners vergleichbar, weil sie keine Möglichkeit gehabt habe, den Versicherer im Verfahren nach § 11 RVG zu beteiligen und eine Vergütungsfestsetzung gegen ihn zu erlangen. Dem erteilt der BGH eine Absage. Für eine Durchbrechung zugunsten bestimmter bösgläubiger Schuldnerinnen und Schuldner lasse die Regelung keinen Raum, so der Senat.
§ 407 BGB diene dem Schutz des Schuldners, der eine neue Gläubigerin erhalten könne, ohne dass er vom Forderungsübergang wisse. Ein bösgläubiger Schuldner sei demgegenüber nicht schutzwürdig. Selbst wenn es – wie vom LG angenommen – zuträfe, dass der Gläubigerwechsel dem Anwalt, bzw. der Anwältin die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens nach § 11 RVG nehme, wäre eine Rechtskrafterstreckung nicht gerechtfertigt. Der Schuldner sei auch nicht schutzlos gestellt: Er könne schließlich abwarten, ob der Versicherer die behaupteten Ansprüche geltend mache, oder gegen diesen eine negative Feststellungsklage erheben.
Außerdem ordne § 407 Abs. 2 BGB als Schuldnerschutzvorschrift eine Rechtskrafterstreckung der gerichtlichen Entscheidung nur zugunsten des Schuldners an, nicht aber zugunsten der Neugläubigerin. "Die entsprechende Anwendung, wie sie dem Berufungsgericht vorschwebt, würde der Beklagten gestatten, wissentlich ein Verfahren gegen den falschen Gläubiger zu führen, ohne gegenüber dem richtigen an einen für sie ungünstigen Ausgang gebunden zu sein", so der BGH.