Vor 2016 haben Versicherer für Krankentagegeld häufig ihre Tagessätze einseitig nach unten korrigiert, wenn das Nettoeinkommen der Versicherten sank. Das war so nämlich in den damaligen Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung geregelt, die viele Versicherer für ihre eigenen allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zugrunde legten.
Im Jahr 2016 dann erklärte der BGH diese Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für unwirksam (Urteil vom 06.07.2016 - IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51). Viele Versicherer mussten ihre AVB anpassen.
So auch der Versicherer in einem Fall, mit dem sich der BGH am Mittwoch befassen musste (Urteil vom 12.03.2025- IV ZR 32/24). Doch statt den höchstrichterlich verbotenen Passus einfach aus den AVB zu streichen, ersetzte der Versicherer die Klausel "durch eine klarere Regelung" gleichen Inhalts.
Das hielt der Versicherte für unwirksam. Er klagte auf Feststellung, dass seine Krankentagegeldversicherung mit dem ursprünglich vereinbarten Tagessatz fortbesteht und die Beklagte nicht berechtigt ist, das Krankentagegeld einseitig herabzusetzen. Vor dem LG war er damit auch erfolgreich, das OLG jedoch wies die Klage ab.
Versicherung ist lückenhafter Vertrag zuzumuten
Nun hat der BGH dem Versicherten Recht gegeben und das LG-Urteil wieder hergestellt. Die Argumentation der Versicherung, eine neue – die alte ersetzende – Klausel sei nötig gewesen, da der Vertrag sonst lückenhaft wäre, überzeugte die Richterinnen und Richter nicht.
Zwar ist es einem Versicherer gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG erlaubt, eine unwirksame Bestimmung in den AVB zu ersetzen. Dies gelte jedoch nur, wenn infolge der Unwirksamkeit der Klausel mindestens die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung gegeben seien. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung in vorformulierten Versicherungsverträgen setze nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass keine dispositiven Gesetzesbestimmungen zur Füllung der entstandenen Lücke zur Verfügung stünden und es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar sei, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, so der BGH.
Risiko durch schwankendes Einkommen ist Vertrag immanent
Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Zwar könne es in den Fällen eines dauerhaften Absinkens des Nettoeinkommens unter den versicherten Tagessatz zu einer Erhöhung des (subjektiven) Risikos für den Versicherer kommen, argumentierten die Richterinnen und Richter. Dies stellte für den Krankentagegeldversicherer aber keine unzumutbare Härte im Sinne von § 306 Abs. 3 BGB dar.
Das folge insbesondere aus der Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung, weil einer so ausgestalteten Versicherung immanent sei, dass die Versicherungsleistung von dem versicherten Risiko abweichen und deshalb höher, aber auch niedriger als der tatsächliche Durchschnittsverdienst des Versicherungsnehmers ausfallen kann.