Ein Landwirt, Eigentümer eines Hofs im Sinne der Höfeordnung, setzte eine seiner beiden Töchter testamentarisch als Hof- und Alleinerbin ein. In einem notariell beurkundeten "Pflichtteilsverzichtsvertrag" verzichtete die andere Tochter gegenüber ihrem Vater auf ihr Pflichtteilsrecht, erklärte sich bezüglich des Hofes für abgefunden und verzichtete gegenüber Vater und Schwester auf weitergehende Abfindungsansprüche nach § 12 der Höfeordnung. Zugleich verpflichtete sich die als Erbin eingesetzte Tochter, ihrer Schwester zur Abfindung 30.000 Euro zu zahlen.
Bei der Beurkundung wurde der Vater durch eine vollmachtlose Mitarbeiterin vertreten, deren Erklärung er später genehmigte. Nach dem Tod des Vaters machte die zweite Schwester Pflichtteilsansprüche gegen die Hof- und Alleinerbin geltend und berief sich auf die Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts. Letztere sah den Notar in der Haftung und klagte schließlich auf Feststellung der Ersatzpflicht des Notars für Schäden, die entstanden waren, weil Pflichtteilsverzicht sowie Abfindungserklärung und -verzicht unwirksam waren. Während das LG Münster die Klage wegen Verjährung abgewiesen hatte, gab das OLG Hamm ihr statt.
Der BGH bestätigte die Haftung des Notars und wies dessen Revision zurück (Urteil vom 20.11.2024 - IV ZR 263/23). Der Notar habe seine Amtspflichten verletzt, weil er den Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkundet habe, obwohl der Erblasser nicht persönlich dabei gewesen sei. Hintergrund ist § 2347 S. 1 BGB: Danach kann der Erblasser einen solchen Vertrag nur persönlich schließen. Weder habe der Vater die Erklärung seiner vollmachtlosen Vertreterin später genehmigen, noch das – unter Anwesenden abgegebene (§ 147 BGB) – Verzichtsangebot annehmen können.
Keine ergänzende Auslegung als Erbschaftsvertrag
Für den Schaden infolge des unwirksamen Pflichtteilsverzichts, dass die Hof- und Alleinerbin sich Pflichtteilsansprüchen ihrer Schwester ausgesetzt sieht, könne sie nicht anderweitig Ersatz erlangen (§ 19 Abs. 1 S. 2 BNotO). Einen ererbten Anspruch gegen ihre Schwester auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages habe sie nicht. Denn jedenfalls – ob § 2347 BGB auch für das Kausalgeschäft gilt, lässt der BGH offen – wäre die Erfüllung einer Verpflichtung zum Pflichtteilsverzicht mit dem Tod des Erblassers unmöglich geworden. Ein Pflichtteilsverzicht könne nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden.
Eine ergänzende Vertragsauslegung dahin, dass unter den Töchtern für den Fall der Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts ein Erbschaftsvertrag geschlossen wurde, der die Schwester verpflichtet, nach dem Tod des Vaters den Pflichtteilsanspruch (hinsichtlich des hoffreien Vermögens) zu erlassen, komme hier nicht in Betracht. Ein solcher formbedürftiger Vertrag nach § 311b Abs. 5 BGB hätte laut BGH in der notariellen Urkunde eindeutig zum Ausdruck kommen müssen. Daran fehle es im vorliegenden Fall aber.
Der Vertrag sei daher nach § 139 BGB insgesamt nichtig gewesen, sodass der Notar auch Schäden aufgrund der Unwirksamkeit der Abfindungsvereinbarung über Ansprüche aus der Höfeordnung ersetzen muss. Laut BGH war der Schadensersatzanspruch bei Klageerhebung auch nicht verjährt. Der Anspruch der Hof- und Alleinerbin sei erst mit dem Erbfall entstanden, da zu diesem Zeitpunkt der Vermögensschaden eingetreten sei – ein um den Pflichtteilsanspruch ihrer Schwester gemindertes Erbe.