Rettungswagen und Notarzt kommen zu spät: Gericht muss Fehler in der Leitstelle suchen

Obwohl der Zustand einer Schwangeren kritisch war, schickte die Leitstelle wegen Kommunikationsschwierigkeiten nicht sofort einen Rettungswagen und Notarzt. Für das OLG kein Problem, schließlich habe der Disponent sich an die Leitlinien gehalten. Der BGH korrigiert: Auf den Einzelfall komme es an.

Das OLG Schleswig hat zu kurz gedacht, als es sich in einem tragischen Fall nur an ärztlichen Leitlinien orientierte. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Vorinstanz dazu verdonnert, für den speziellen Fall ein Gutachten einzuholen (Urteil vom 15.05.2025 III ZR 417/23).

Schließlich war ein Baby kurz nach seiner turbulenten Geburt zu Tode gekommen. Die Mutter hatte etwa einen Monat vor dem Geburtstermin starke Schmerzen verspürt, die Hebamme machte Druck: sofort ins Krankenhaus. Das sagte der werdende Vater am Telefon auch der Rettungsleitstelle Bad Oldesloe. Doch wegen komplizierter Zuständigkeitsregeln musste die Leitstelle Bad Oldesloe sich an die in Schwerin wenden, diese leitete den Notfall ihrerseits nach Lübeck weiter.

Im Zuge dieser Kette war die Anweisung der Hebamme untergegangen. Beim Disponenten in Lübeck kam nur noch an, dass es sich um eine Schwangere mit Schmerzen handelte. Mit dem Entsenden eines Krankenwagens hatte der es deshalb nicht so eilig. Die Retter kamen erst 36 Minuten später bei der Schwangeren an – und hatten obendrein keinen Notarzt dabei. Das Baby, das nach einer Plazentaablösung ohne Sauerstoff war, überlebte nicht.

BGH: Gutachten erforderlich

Die Hinterbliebenen klagten daraufhin gegen die umliegenden Landkreise. Sie wollten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie warfen den Leitstellen unter anderem eine Amtspflichtverletzung vor: sie hätten sofort einen Notarzt losschicken müssen. Doch weder LG noch OLG waren in dem Amtshaftungsverfahren auf ihrer Seite. Vom Berufungsgericht hieß es, nach dem Indikationskatalog der Bundesärztekammer für den Notarzteinsatz habe das Meldebild nicht die sofortige Entsendung eines Notarztes zum Wohnort der Kläger indiziert. Die Weiterleitungen der Notfallmeldungen zwischen den Rettungsleitstellen seien nicht zu beanstanden und nicht schadensverursachend.

Das konnte der BGH nicht so stehen lassen. Das Berufungsgericht habe zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass dem Indikationskatalog für den Notarzteinsatz maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der Frage zukomme, ob die Rettungsleitstelle die sofortige Entsendung eines Notarztes zu veranlassen hat. Es hätte jedoch im konkreten Fall ein Sachverständigengutachten einholen müssen, das klärt, ob der Zustand der Schwangeren eine sofortige Entsendung eines Notarztes indiziert habe. Die Sache hat der BGH zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

BGH, Urteil vom 15.05.2025 - III ZR 417/23

Redaktion beck-aktuell, dd, 15. Mai 2025.

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