Eine bayerische Gemeinde investierte über einen auf Kommunen spezialisierten Anlagevermittler mehrere Millionen Euro in Festgelder bei einer Bank mit günstigen Zinsen. Im September 2020 wurde das Rating der Bank herabgestuft - von A- auf BBB+. Zuvor hatte es bereits Berichte über eine BaFin-Prüfung und Spekulationen über eine mögliche Insolvenz der Bank gegeben. Das abgesenkte Rating ging aus mehreren Schreiben vom Oktober und November 2020 hervor, in denen der Anlagevermittler der Gemeinde jeweils das aktuelle Rating der Bank mitteilte.
Im Dezember 2020 steckte die Gemeinde eine weitere Million Euro in Festgeld bei der Bank. 2021 ging die Bank schließlich pleite und die Gemeinde saß auf einem Verlust von 5 Millionen Euro. Vom Anlagevermittler verlangte sie per Teilklage 1.000.000 Euro Schadensersatz. Die Gemeinde war der Ansicht, der Vermittler hätte sie über Probleme der Bank und das herabgestufte Rating informieren müssen. Sie habe darauf vertraut, dass ihr nur sichere Anlagen vermittelt würden. Der Anlagevermittler hatte in seinen AGB darauf hingewiesen, dass er die Bonität der Banken nicht prüft und insoweit keine Haftung übernimmt.
Das LG München I und das OLG München gaben der Gemeinde Recht. Laut OLG bestand zwischen Gemeinde und Vermittler ein Auskunftsvertrag, da es ihr darauf ankam, von dem spezialisierten Vermittler einen Überblick über für Kommunen geeignete, sichere Anlagen zu erhalten. Aus diesem Vertrag sei der Vermittler verpflichtet gewesen, die Bonität der Bank über die Finanzpresse und einfache Internetrecherche im Blick zu behalten und die Gemeinde über die Probleme der Bank und die Verschlechterung des Ratings zu informieren. Der Haftungsausschluss in den AGB sei unwirksam.
Keine Pflichtverletzung - Mitteilung des Ratings genügte
Mit seiner Revision dagegen beim BGH hatte der Anlagevermittler Erfolg (Urteil vom 19.09.2024 - III ZR 299/23). Der III. Zivilsenat hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben bzw. abgeändert und die Klage der Gemeinde abgewiesen. Wie die Vorinstanzen bejaht der BGH einen Auskunftsvertrag über die Vermittlung der Festgeldanlage zwischen Gemeinde und Vermittler: "Ein solcher kommt zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will".
Laut BGH hat sich der Anlagevermittler aber keine vertragliche Pflichtverletzung zu Schulden kommen lassen. Darauf, wie die AGB-Klausel zu beurteilen sei, komme es nicht an. Denn der Anlagevermittler habe die Gemeinde ausreichend über die Bonität der Bank informiert, indem er ihr jeweils das aktuelle Rating mitgeteilt habe. "Ein Anlagevermittler genügt seiner Pflicht zur Information über die Bonität des Emittenten einer Kapitalanlage jedenfalls gegenüber einem geschäftserfahrenen Anlageinteressenten im Normalfall dadurch, dass er diesem eine im Anlagezeitpunkt aktuelle Bewertung einer Rating-Agentur mitteilt", so der BGH. Von einer Gemeinde mit Kämmerei dürfe erwartet werden, dass die Rating-Grade bekannt sind und ihre Bedeutung verstanden wird.
Offengelassen hat der BGH, ob der Anlagevermittler auch die Wirtschaftspresse auf Bonitätsinfos hin verfolgen muss. Darauf komme es nicht an. Denn Zweifel an dem Rating hätte der Vermittler aufgrund der Berichte und Spekulationen nicht haben müssen. Daher hätte er, hätte er sie gelesen, auch nicht nach weiteren Infos suchen oder sogar davon absehen müssen, der Gemeinde die Festgeldanlage anzubieten.