Mann schlägt nach Streit mit Bierkrug zu: Provoziert oder selbst schuld?
© justsann / stock.adobe.com

Passend zum Oktoberfest werden auch beim BGH die Bierkrüge gestemmt: Ein Mann, der bei einem Volksfest Bier ausschenkte, geriet mit seinem Chef in einen handfesten Streit und zog ihm schließlich einen Krug über den Kopf. 

Das LG Ansbach hatte einen Eritreer, der als Bedienung auf einem Volksfest tätig war, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Er hatte seinem Vorgesetzten nach einem Streit einen Bierkrug auf den Kopf geschlagen. Gegen die Verurteilung hatte der Eritreer Revision zum BGH eingelegt und war erfolgreich (Beschluss vom 10.06.2025 – 6 StR 176/25).

Der Hintergrund: Der Eritreer war von seinem Vorgesetzten bereits in der Vergangenheit als "scheiß Schwarzer, scheiß Affe" beleidigt worden. Am Tattag rügte der Vorgesetzte den Mann, weil er Bier aus einem von ihm angetrunkenen Maßkrug auf zum Verkauf bereitgestellte Maßkrüge gegossen hatte. Der Eritreer bezeichnete seinen Chef daraufhin als "Motherfucker". Wenig später verpasste der Vorgesetzte seinem Angestellten im Raucherbereich zur Vergeltung mit der flachen Hand einen Schlag ins Gesicht, wodurch dieser kurz zu Boden ging. Unmittelbar danach schlug der Eritreer seinem Vorgesetzten mit "voller Wucht" und in Tötungsabsicht einen Maßkrug ins Gesicht. Das Opfer stürzte bewusstlos zu Boden und erlitt unter anderem ein subdurales Hämatom und eine Fraktur des Nasenbeins.

LG: Provokation nicht "ohne eigene Schuld"

Gegen die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach §§ 212 Abs. 1, 22, 224 Abs. 1, 52 StGB wehrte sich der Eritreer im Rahmen seiner Revision. Er war der Ansicht, dass das LG einen minder schweren Fall nach § 213 StGB hätte annehmen müssen. Dieses hatte in seiner Begründung angeführt, dass der Schlag des Vorgesetzten in das Gesicht des Eritreers auf dessen vorangegangenes "unangemessenes Verhalten" zurückzuführen sei. Eine etwaige Provokation des Angeklagten sei daher nicht "ohne eigene Schuld" i.S.d. § 213 StGB gewesen.

Das sahen die Richterinnen und Richter in Karlsruhe anders. Die eigene Schuld des Täters schließe eine strafmildernde Provokation nur dann aus, wenn sie sich gerade auf die ihm vom Opfer zugefügte tatauslösende Misshandlung oder schwere Beleidigung beziehe und der Täter dem Opfer genügende Veranlassung zur Provokation gegeben habe. Die Provokation durch das spätere Opfer müsse eine verständliche Reaktion auf das Vorverhalten des Täters sein.

BGH: Proportionalität zwischen Täterverhalten und Opferreaktion

Das LG hätte deswegen prüfen müssen, ob die dem Eritreer zugefügte Misshandlung – hier der Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht – ihrerseits eine angemessene Reaktion des späteren Opfers auf den Fehler seines Mitarbeiters beim Bierausschank war.

Fehlte es an der Proportionalität zwischen dem vorangegangenen Fehlverhalten des Täters und der nachfolgenden Opferreaktion, liege keine schuldhafte Provokation vor. Ob das vorliegend der Fall war, muss jetzt eine andere – als Schwurgericht zuständige – Strafkammer des LG entscheiden.

Nach § 213 StGB ist die Strafe bei einem minder schweren Fall des Totschlags auf ein Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zu mildern, wenn der Totschläger ohne eigene Schuld handelt, weil er durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden war.

BGH, Beschluss vom 10.06.2025 - 6 StR 176/25

Redaktion beck-aktuell, Dr. Jannina Schäffer, 22. September 2025.

Mehr zum Thema