K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug
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Wer einer Person heimlich K.O.-Tropfen ins Getränk träufelt, um diese sexuell zu enthemmen, handelt dem BGH zufolge zwar mit Gewalt – aber nicht mithilfe eines gefährlichen Werkzeugs. Weder die Tropfen noch der Einsatz der Pipette fielen darunter. 

Eine Frau besuchte mit ihrer Partnerin ihren Ex-Freund; am nächsten Tag wollte das Paar ein Konzert in der Nähe besuchen. Im Verlauf des alkoholgetränkten Abends entschloss sich der Mann, seiner ebenfalls anwesenden Verlobten und der Freundin seiner Ex heimlich K.O.-Tropfen zu verabreichen, um mit ihnen Sex zu haben. Er tropfte ihnen mit einer Pipette GBL in die Gläser, obwohl er wusste, dass das – gerade in Verbindung mit Alkohol – gravierende gesundheitliche Folgen haben kann. Sein Plan gelang: Die eher verschlossene Freundin zog sich aus und tanzte mit der Verlobten ausgelassen im Wohnzimmer umher. Die Frauen küssten sich und ließen sich auch von ihm küssen und streicheln. Dieses Verhalten war für die Besucherin wesensfremd, es ließ sich nur durch die Tropfen erklären. Sie verschwand und man fand sie später im Garten nicht mehr ansprechbar in einem durchnässten Bademantel liegend. Das LG Dresden sah sie in "abstrakter Lebensgefahr" und verurteilte den Mann unter Einbeziehung einer Geldstrafe zu einer Freiheitsstrafe von knapp dreieinhalb Jahren. Dieser ging in Revision und hatte damit zumindest vorerst Erfolg.

K.O.-Tropfen sind keine gefährlichen Werkzeuge

Zwar sieht auch der BGH in der heimlichen Gabe des GBL eine Gewaltanwendung nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB. Bei der Tat habe der Mann aber kein gefährliches Werkzeug iSd Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verwendet: Die Tropfen stellten weder für sich allein genommen noch bei Verabreichung in einem Getränk ein gefährliches Werkzeug im Sinne der Strafnorm dar (Beschluss vom 08.10.2024 – 5 StR 382/24, rechtskräftig).

Eine solche Auslegung sprenge die Wortlautgrenze, weil unter einem Werkzeug nur feste Gegenstände – nicht aber Flüssigkeiten oder Gase – zu verstehen seien. Die Leipziger Richterinnen und Richter sahen sich auch durch die Gesetzessystematik bestätigt. Zu § 250 StGB (schwerer Raub) sei nämlich bereits höchstrichterlich entschieden worden, dass gefährliche Werkzeuge keine Stoffe sein könnten, die erst nach einem Stoffwechselprozess im Körper narkotisierend oder sedierend wirken. Es gebe keinen Grund, dieselben Begriffe innerhalb des StGB anders zu interpretieren.

Der BGH lehnte es ebenfalls ab, die Pipette, mit der das GBL in die Getränke geträufelt wurde, als gefährliches Werkzeug zu betrachten. Es fehle an der Unmittelbarkeit der Verletzung durch sie, denn die Pipette selbst habe keinerlei Verletzung hervorgerufen – genauso wenig wie das Glas mit dem Getränk, das die Frauen getrunken haben. Der 5. Strafsenat unterschied hier: Anders wäre es zu beurteilen, wenn er etwa eine Säure direkt auf die Haut gespritzt hätte, die die Haut verätzt.

Die Bundesrichterinnen und -richter verwiesen die Sache mit dem Hinweis an die erste Instanz zurück, dass nach den Feststellungen des LG auch § 177 Abs. 8 Nr. 2b StGB – die Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr der Geschädigten – verwirklicht sein könnte. Wenn sie nicht ansprechbar im Garten liege und infolge der Tropfen das Risiko des Erstickens bestanden habe, könne man annehmen, dass ihr Leben konkret gefährdet gewesen sei. Der 5. Strafsenat wies auch darauf hin, dass die Geldstrafe wegen Cannabisbesitzes nach Inkrafttreten des KCanG nicht mehr einbezogen werden kann. 

BGH, Beschluss vom 08.10.2024 - 5 StR 382/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 13. November 2024.