Eigentlich wollte der Täter mit einem Tattoo auf dem Handrücken seine Ablehnung des Polizeiapparats ausdrücken, doch sein Hobby-Tätowierer machte einen folgenreichen Fehler. Er verdrehte die Ziffern der Zahlenschreibweise von "A.C.A.B", so dass am Ende nicht "1312", sondern "1213" auf seinen Fingern stand. Um sich für diesen Fehltritt zu revanchieren, nahm der ebenso ungelernte Tätowierer die Maschine selbst in die Hand und tätowierte dem Opfer ein 1,5 x 4,5 cm großes "FUCK" über die Augenbraue. Das Opfer schämte sich seither für die Tätowierung und ließ sich die Haare darüber wachsen. Eine Lasertherapie konnte er sich nicht leisten.
Das LG sah in dem Rache-Tattoo zwar eine gefährliche Körperverletzung, fand die Folgen aber nicht schwer genug, um von einer schweren Körperverletzung nach § 226 StGB auszugehen. Das sah der BGH nun anders und gab der staatsanwaltlichen Revision statt (Urteil vom 10.04.2025 – 4 StR 295/24).
"FUCK"-Tattoo ist eine erhebliche Entstellung
Eine Variante der gefährlichen Körperverletzung setzt voraus, dass der Geschädigte "in erheblicher Weise dauernd entstellt" wird (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Eine Tätowierung sei grundsätzlich in der Lage, das Aussehen eines Menschen erheblich zu verändern – insbesondere ein Gesichtstattoo in einem sonst untätowierten Gesicht, meinte der BGH. Die besonders auffällige Lage über der Augenbraue verändere das Erscheinungsbild des Mannes massiv, so dass es auch flüchtigen Betrachtern sofort auffalle.
Das Tattoo sei "entstellend", da es von seinem bisherigen Zustand abweiche und ihm eine "bis dahin nicht vorhandene Bestimmung" gebe. Er sei deutlich sichtbar zum Träger einer anstößigen Wortbotschaft gemacht worden, mit der er identifiziert und schließlich auch stigmatisiert werde. Ob die Wortbotschaft grundsätzlich anstößig sein müsse, um als entstellend zu gelten, ließ der Senat dabei offen.
An der Entstellung ändere auch die Möglichkeit nichts, die Stelle mit den Haaren überwachsen zu lassen. Ob ein Merkmal eine Verunstaltung ist, bemesse sich anhand der Wahrnehmung der Umwelt, selbst wenn es nur in bestimmten Lebenssituationen – wie beim Baden oder Ausziehen – sichtbar sei. Ebenso sei das Tattoo in diesem Falle der Haare wegen zwar nicht immer, aber jedenfalls in manchen besonderen Lebenssituationen sichtbar, was für eine Entstellung im Sinne des § 226 StGB genüge.
"Dauerhaft" trotz OP-Möglichkeit
Der Senat befand, dass die Entstellung – wie von § 226 StGB gefordert – auch dauerhaft sei. Darunter verstehe das Gesetz Beeinträchtigungen, die sich zum Zeitpunkt des Strafurteils als unbestimmt langwierig herausstellen. Auch erfasst seien Fälle, in denen nicht abzusehen sei, ob die Entstellung in absehbarer Zeit geheilt oder nachhaltig verbessert werden könne.
Dem stehe hier auch nicht die durchaus mögliche Lasertherapie entgegen. Der Geschädigte habe zwar erklärt, dass er sich die Behandlung nicht leisten könne. Grundsätzlich gelte eine Entstellung aber auch dann als dauerhaft, wenn sich Geschädigte frei gegen eine (kosmetische) Operation entschieden. Bei finanziell unmöglichen Behandlungen liege das nicht anders. Böswilligkeit ausgenommen, seien dem Angeklagten dann die Folgen seiner Handlung weiterhin zurechenbar. Vor diesem Hintergrund sei auch unerheblich gewesen, ob die Behandlungskosten von der Krankenkasse übernommen worden wären. Dem Senat kam es dabei nur darauf an, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung kein Behandlungsbeginn absehbar war.
Da es der Täter gerade darauf abgesehen hatte, sein Opfer möglichst öffentlichkeitswirksam zu stigmatisieren, sei ihm hier auch Absicht vorzuwerfen. Dadurch erhöht sich das Mindeststrafmaß von einem Jahr auf drei Jahre Freiheitsstrafe (§ 226 Abs. 2 StGB). Der Senat änderte den Schuldspruch der Vorinstanz selbst und hob die wegen einer folgenden Nötigungstat ergangene Gesamtstrafe auf. Im Übrigen verwies es die Sache aber wieder zu neuer Verhandlung an das LG zurück; der Senat könne nicht ausschließen, dass das LG anhand des neuen Strafrahmens auf eine höhere Einzelstrafe erkenne.