Tödliche Lektion auf der A33: Tötungsvorsatz bei Fahrerflucht möglich

Er drängelte mit Lichthupe, bremste aus und schnitt schließlich ein anderes Fahrzeug so, dass dieses einhundert Meter über die Leitplanke flog – der Beifahrer kam ums Leben. Auch der BGH sah bei dem Manöver keinen Tötungsvorsatz. Die anschließende Unfallflucht steht aber auf einem anderen Blatt.

Nachdem er einen Verkehrsteilnehmer "maßregelnd" geschnitten und eine tödliche Kollision herbeigeführt hatte, verurteilte das LG Osnabrück einen 30-jährigen Fahrer wegen fahrlässiger Tötung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Der BGH bestätigte nun die Ausführungen zum Tötungsvorsatz, allerdings nur im Hinblick auf das tödliche Manöver. Im Hinblick auf die angrenzende Fahrerflucht entfalle der Vorsatz nicht automatisch mit – die Vorinstanz hätte hier näher prüfen müssen (Urteil vom 28.08.2025 – 4 StR 476/24).

An einem frühen Oktobermorgen im Jahr 2023 dauerte einem Fahrer das Überholmanöver seines Vordermanns zu lange. Er bedrängte das Fahrzeug, betätigte Fernlicht und Warnblinkanlage, lenkte danach hinter ihm schlingernd nach links und rechts – "um zu provozieren", hieß es später in seinem Strafurteil. Er setzte sich vor ihn, um ihn auszubremsen, wechselte dann wieder auf die Überholspur, um das spätere Opfer aufschließen zu lassen. Als sie auf etwa gleicher Höhe waren, lenkte er ruckartig ein, um ihn zu "maßregeln". Es kam zur Kollision und das Fahrzeug des Opfers drehte sich in die Leitplanke, überschlug sich und krachte in 100 Metern Entfernung in einen Baum. Der Beifahrer wurde dabei aus dem Auto geschleudert und erlitt tödliche Schädel- und Hirnverletzungen. Der Fahrer kam mit Sternum- und Gesichtsfrakturen, einem Schädelhirntrauma und Lungenverletzungen davon.

LG verneint Vorsatz

Nach dem Unfall begab sich der spätere Angeklagte circa 50 Meter zurück zum Kollisionsort, wobei die beschädigte Leitplanke jedoch nicht zu sehen gewesen sein soll. Er rief seinen Chef an, wohl in der Annahme, sein Unfallgegner habe die Ausfahrt genommen. Als sein Chef am Unfallort ankam, war er bereits weitergefahren. "Das Problem, Boss, ist, dass er mir reingefahren ist, und ich hätte jetzt tot sein können", schrieb er ihm später auf WhatsApp.

Das LG Osnabrück verurteilte ihn im Juni 2024 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten – wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB – ugs. "Fahrerflucht"). Auf Revision beider Seiten bestätigte der BGH nun den fehlenden Tötungsvorsatz beim tödlichen Schneidemanöver. Anders liege es jedoch bei der anschließenden Fahrerflucht – hier hätte das LG näher auf die inneren Umstände eingehen müssen.

Lektion sollte wohl nicht tödlich sein

Das LG war der Überzeugung, der Fahrer sei bei seinem Einlenkmanöver nicht davon ausgegangen, dass sich die Längsachsen der Fahrzeuge schon kollisionsfördernd überschnitten hätten. Das begegne – so der BGH – keinen rechtlichen Bedenken. Zu Recht habe das Gericht dabei das (schikanierende) Vorverhalten des Fahrers zugrunde gelegt, das eindeutig nicht auf eine Kollision ausgelegt gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft begründete ihre Gegenansicht damit, dass es hier zu einer "Eskalationsspirale" gekommen sein könnte, bei der sich der Fahrer bis zu einem möglichen Tötungsvorsatz hochgesteigert haben könnte. Der 4. Strafsenat folgte dem indes nicht. Ein Vorsatz lasse sich umso schwerer annehmen, da der Fahrer hier eine mögliche Eigengefährdung erkannt und ersichtlich nicht gewollt habe – was aus der späteren WhatsApp-Nachricht hervorgehe.

Das LG habe das zum Anlass nehmen dürfen, den Tötungsvorsatz zu verneinen. Das werde auch nicht dadurch infrage gestellt, dass er das Unfallszenario als Ganzes schon nicht vorhergesehen habe. Ausführungen zur Persönlichkeit und den Lebensumständen habe das LG im Übrigen zu Recht als Hilfserwägungen herangezogen.

Fahrerflucht als Tötungsversuch

Unvollständig sei das Urteil des LG hingegen bei der Beurteilung der Fahrerflucht. Die Strafkammer habe erwägen müssen, ob man es hier nicht mit einer versuchten Tötung zu tun hatte. Sie habe festgestellt, dass der Angeklagte die Folgen seines Manövers nicht mehr gesehen haben soll, da das andere Fahrzeug außerhalb seines Sichtfelds mit der Leitplanke kollidiert sei. Dann habe sie aber selbst verneint, dass der andere Fahrer aus Sicht des Angeklagten die Ausfahrt genommen haben könnte.

Diesen Widerspruch habe das LG mit der Annahme aufgelöst, der drängelnde Fahrer sei "nicht notwendig davon ausgegangen", dass der Unfallgegner noch am Unfallort sein müsste. Hier habe sich stattdessen die Frage aufgedrängt – so der BGH – welche Vorstellungen sich der Fahrer nun genau über die Folgen des Unfalls gemacht hatte, etwa über das "Verschwinden" des gegnerischen Fahrzeugs und mögliche Verletzungsfolgen. Das lege schon sein Verhalten nach dem Unfall nahe.

Aus dem fehlenden Tötungsvorsatz beim Fahrmanöver folge nicht unbedingt ein fehlender Tötungsvorsatz bei der Fahrerflucht, wie der BGH entschied. Dies sei eine neue Situation, die auch das Vorstellungsbild des Angeklagten verändert haben könnte. Hätte er etwa einen Notruf auch nur für möglich gehalten, käme ein versuchtes Tötungsdelikt in Betracht.

Die Sache wurde mit dieser Maßgabe an eine andere Kammer des LG Osnabrück zurückverwiesen. 

BGH, Urteil vom 28.08.2025 - 4 StR 476/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 2. Oktober 2025.

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