Trotz aufheulenden Motors: Heimtücke bei Angriff mit Pkw

Erkennt ein Fußgänger auf dem Bürgersteig nicht, dass der Wagen mit aufheulendem Motor hinter ihm ihn gleich anfahren wird, verliert er nicht seine Arglosigkeit. Auch wenn der Angreifer damit signalisiere, dass Unheil drohe, kann dem BGH zufolge dennoch Heimtücke gegeben sein.

Eine Frau ging fremd – diese Erkenntnis erschütterte ihren heranwachsenden Sohn schwer. Verantwortlich machte er ausschließlich den Liebhaber. Eines Abends entdeckte er den Widersacher, während er im Auto unterwegs war: Der lief ganz entspannt mit einer Frau auf dem Bürgersteig links von ihm in Fahrtrichtung. Er ließ den Motor aufheulen und fuhr zwischen parkenden Fahrzeugen auf den Bürgersteig. Die beiden Fußgänger erkannten die Gefahr nicht, sondern glaubten an einen missglückten Parkversuch; die Frau drehte sich noch nicht einmal nach hinten um. Dann fuhr er beide Fußgänger an. Der Liebhaber landete erst auf der Motorhaube des Heranwachsenden, krachte mit dem Kopf auf die Windschutzscheibe und wurde dann auf ein anderes Auto geschleudert. Seine Begleiterin hingegen wurde nur leicht touchiert und kam mit einem blauen Fleck an der Wade davon. Bei seiner anschließenden Flucht kollidierte der Angreifer noch mit fünf parkenden Fahrzeugen.

Das LG Aachen verurteilte den jungen Mann wegen zweifachen versuchten Totschlags mitsamt tateinheitlich begangener Delikte zu einer Jugendstrafe von drei Jahren. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Heranwachsende erhoben die Revision zum BGH. Dieser verwies die Sache zurück.

Arg- und wehrlos

Der 4. Strafsenat (Urteil vom 20.06.2024 – 4 StR 15/24) bemängelte zunächst die fehlerhafte Verneinung des Mordmerkmals "Heimtücke" nach § 211 Abs. 2 StGB. Der Heranwachsende habe zwar seinen Motor laut aufheulen lassen, bevor er auf die beiden Fußgänger losgerast sei. So lasse sich aber deren mangelnde Arg- und Wehrlosigkeit nicht begründen: Die beiden hätten das Auto zwar wahrgenommen, die davon ausgehende Gefahr aber nicht erkannt, sondern seien sorglos weitergelaufen. Laut eigener Einlassung, so der BGH, habe der Angreifer die Arglosigkeit der Geschädigten erkannt, während er sie aufs Korn nahm.

Allerdings beschränkte sich der Tötungsvorsatz den Bundesrichterinnen und -richtern zufolge nach den bisherigen Feststellungen wohl auf den Liebhaber seiner Mutter. Mal davon abgesehen, dass die Fußgängerin nichts mit den Familienschwierigkeiten zu tun hatte, sei auch das Fahrmanöver des jungen Mannes entsprechend zu würdigen: Der Bürgersteig sei breiter als das Tatfahrzeug gewesen und er habe sogar das rechts parkende Auto gerammt, um, so der Eindruck, möglichst nur den missliebigen Mann – und nicht die links von ihm gehende Frau – zu treffen. Dafür spreche auch die geringe Verletzung der Frau.

Der BGH sah außerdem auch eine Unfallflucht nach § 142 Abs. 1 StGB gegeben. Das Argument der Jugendkammer, es habe wegen des zielgerichteten Angriffs auf die Fußgänger keinen Unfall im gesetzlichen Sinn gegeben, gehe fehl. Für die geschädigten Fahrzeugbesitzer war es dem BGH zufolge auf jeden Fall ein ungewolltes, sie plötzlich von außen her treffendes Ereignis.

BGH, Urteil vom 20.06.2024 - 4 StR 15/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 3. September 2024.