44-Jährigem durfte Zutritt zu Festival wegen seines Alters verweigert werden
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Eins 44-jähriger Mann ist mit seiner Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen Altersdiskriminierung vor dem Bundesgerichtshof erfolglos geblieben. Dem Mann war der Zutritt zu einer Musikveranstaltung verwehrt worden, weil er der vom Veranstalter vorgegebenen Zielgruppe von 18 bis 28 Jahren nicht entsprach. Der BGH sah den Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots für nicht eröffnet.

Kläger wollte Open-Air-Event in München besuchen

Der Kläger wollte im August 2017 ein von der Beklagten veranstaltete Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.

Nur Besucher zwischen 18 und 28 Jahren erwünscht

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.

Kläger fühlt sich wegen seines Alters diskriminiert

Der Kläger ist der Auffassung, dass in der Verweigerung des Zutritts eine Benachteiligung wegen des Alters liege und ihm daher ein Entschädigungsanspruch gemäß §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er hat von der Beklagten die Zahlung von 1.000 Euro sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens in Höhe von 142,80 Euro, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

BGH: Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot nicht anwendbar

Der BGH hat die Revision des Klägers jetzt zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Schadenersatzanspruch des Klägers verneint, weil der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG nicht eröffnet sei.

Kein "Massengeschäft" im Sinne der gesetzlichen Regelung

Der Vertrag über den Zutritt zu der hier betroffenen Veranstaltung sei kein "Massengeschäft" im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG. Hierunter seien zivilrechtliche Schuldverhältnisse zu verstehen, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Das sei der Fall, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist. Hingegen liege ein Ansehen der Person vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach Würdigung des Vertragspartners trifft. Ob persönliche Merkmale typischerweise eine Rolle spielen, bestimme sich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise, bei der auf die für vergleichbare Schuldverhältnisse herausgebildete Verkehrssitte abzustellen sei.

Party-Event-Veranstaltungen durch Interaktion der Besucher geprägt

Eine Verkehrssitte, dass zu öffentlichen Veranstaltungen, die mit dem hier betroffenen Schuldverhältnis vergleichbar seien, jedermann Eintritt erhält, habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht festgestellt. Soweit öffentlich zugängliche Konzerte, Kinovorstellungen, Theater- oder Sportveranstaltungen im Regelfall dem sachlichen Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unterfallen, weil es der Verkehrssitte entspricht, dass dort der Eintritt ohne Ansehen der Person gewährt wird, sei für diese Freizeitangebote charakteristisch, dass es den Veranstaltern – meist dokumentiert durch einen Vorverkauf – nicht wichtig sei, wer ihre Leistung entgegennimmt. Das unterscheide sie maßgeblich von Party-Event-Veranstaltungen wie der vorliegenden, deren Charakter in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt werde, weshalb der Zusammensetzung des Besucherkreises Bedeutung zukommen könne. Dass auch bei solchen Veranstaltungen gleichwohl nach der Verkehrssitte jedermann Eintritt gewährt wird, mache der Kläger nicht geltend.

Kein "massengeschäftsähnliches" Schuldverhältnis

Der Vertrag über den Zutritt zu der von der Beklagten durchgeführten Veranstaltung war nach Ansicht des BGH auch kein "massengeschäftsähnliches" Schuldverhältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG. Diese Rechtsverhältnisse kennzeichne, dass persönliche Eigenschaften des Vertragspartners zwar bei der Entscheidung, mit wem der Vertrag geschlossen werden soll, relevant sind, sie aber angesichts der Vielzahl der abzuschließenden Rechtsgeschäfte an Bedeutung verlieren, weil der Anbieter, von atypischen Fällen abgesehen, bereit sei, mit jedem geeigneten Partner zu vergleichbaren Konditionen abzuschließen. In welchem Umfang ein Ansehen einer Person relevant ist, bestimme sich nach der Art des zu betrachtenden Schuldverhältnisses in seiner konkreten Ausprägung.

Willensentscheidung des Veranstalters hinzunehmen

Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen könne die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richte und nur Personen als Vertragspartner akzeptiere, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, komme diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung sei hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal "Alter" betroffen sei, stehe dies nicht entgegen.

Individuelle Auswahl der Vertragspartner von vornherein vorgesehen

Nach den in der Revisionsinstanz außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungsgerichts lag nach den Ausführungen des BGH eine solche Fallgestaltung bei der hier zu beurteilenden Veranstaltung vor. Ein Ansehen der Person hatte hiernach für die Gewährung des Zutritts nicht nur nachrangige Bedeutung. Vielmehr sei eine individuelle Auswahl der Vertragspartner nach dem Veranstaltungskonzept der Beklagten von vornherein vorgesehen gewesen, durchgeführt und durch die Einlasskontrolle sichergestellt worden.

BGH, Urteil vom 05.05.2021 - VII ZR 78/20

Redaktion beck-aktuell, 5. Mai 2021.