Lebenslang für an Staatsfolter beteiligten syrischen Offizier bestätigt

Lebenslang – so lautete das Urteil des OLG Koblenz gegen einen ehemaligen Offizier des syrischen Geheimdienstes. Der 2014 in die Bundesrepublik Eingereiste soll in einem von ihm geleiteten Gefängnis in Damaskus an schweren Gewalt- und Sexualstraftaten beteiligt gewesen sein. Der BGH hat das Urteil bestätigt.

Nach den Feststellungen des OLG versuchten die syrischen Sicherheitsbehörden spätestens seit Ende April 2011 aufgrund zentraler Anordnung der Regierung, die im Rahmen des "Arabischen Frühlings" gegen das Regime des Staatspräsidenten Bashar al-Assad entstandene Protestbewegung gewaltsam im Keim zu ersticken. Landesweit wurden Demonstrationen aufgelöst und tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle und Regimekritiker zu Tausenden verhaftet, gefoltert oder gar getötet. Dabei kam den Geheimdiensten eine entscheidende Rolle zu.

Dem angeklagten ehemals leitenden Offizier unterstand ein Gefängnis in Damaskus, in dem strukturell brutale Foltermethoden angewandt wurden. Zudem waren die Haftbedingungen desolat. Im Tatzeitraum von Ende April 2011 bis Anfang September 2012 verstarben deswegen mindestens 27 Inhaftierte in dem Gefängnis, darunter ein Kind.

Der angeklagte Offizier war für die Führung des Gefängnisses, die Behandlung der Gefangenen und die Durchführung der Vernehmungen zuständig. Laut OLG trug er maßgeblich dazu bei, die Folterpraxis aufrechtzuerhalten. Er habe Folter und Gewaltanwendung bis hin zu sexuellen Übergriffen als Maßnahmen zur Aussageerpressung und Einschüchterung gewollt. Todesfälle habe er als zwangsläufige Folge der Misshandlungen und der Haftbedingungen in Kauf genommen. Er habe sich mit dem syrischen Staat identifiziert, das konzertierte Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen tatsächliche wie mutmaßliche Regimegegner gekannt und seine eigene Tätigkeit als dessen Bestandteil betrachtet.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Das OLG hat diese Feststellungen dahin beurteilt, dass das Vorgehen des syrischen Regimes ab Ende April 2011 sowohl die Voraussetzungen eines ausgedehnten als auch die eines systematischen Angriffs gegen die eigene Zivilbevölkerung nach § 7 Abs. 1 VStGB – der Strafvorschrift über Verbrechen gegen die Menschlichkeit – erfülle. Im Rahmen dieses Angriffs seien zahlreiche in dem Gefängnis Internierte getötet, gefoltert, sexuell genötigt und vergewaltigt sowie in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt worden. Daran habe sich der Angeklagte als Mittäter beteiligt.

Der BGH sah sich aufgrund der Revision lediglich veranlasst, den Schuldspruch im Hinblick auf die vom OLG mit ausgeurteilten Sexualdelikte des StGB geringfügig zu ändern. Auf den Strafausspruch hat sich dies aber nicht ausgewirkt. Im Übrigen sah der BGH keine Rechtsfehler zulasten des Offiziers (Beschluss vom 20.03.2024 – 3 StR 454/22). Insbesondere komme diesem nicht deshalb eine völkergewohnheitsrechtliche funktionelle Immunität zu, weil er seine Tatbeiträge als hoheitlich handelnder Staatsbediensteter erbrachte.

Auch die Verfahrensrügen sind erfolglos geblieben. Zu einer dieser Beanstandungen hat der 3. Strafsenat entschieden, dass es dem OLG nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO gestattet war, Berichte der unabhängigen Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen als Zeugnisse einer öffentlichen Behörde zu verlesen und infolgedessen als Urkundenbeweis zu verwerten.

BGH, Beschluss vom 20.03.2024 - 3 StR 454/22

Redaktion beck-aktuell, bw, 5. August 2024.