Heimtücke: Auch direkt nach Wegfall der Arglosigkeit möglich

Wird das Opfer erst unmittelbar vor der Tötung argwöhnisch, sodass an eine effektive Abwehr nicht mehr zu denken ist, kann laut BGH das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sein.

Leider kein Einzelfall: Sie will sich trennen, er nicht. Er bittet sie zu einer letzten Aussprache in seine Wohnung. Der Streit beginnt erneut, er bedroht sie erst mit einem Kampfmesser, hält ihr den Mund zu. Sie beißt in seinen Finger, er explodiert und tötet sie mit 98 Messerstichen. Das LG Oldenburg verurteilte den Mann wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Sowohl er als auch die Nebenklage legen Revision ein – jeweils erfolgreich.

Keine Zeit zur Reaktion

Der BGH bestätigte die Ansicht der Nebenklägerinnen, dass der Mann heimtückisch gehandelt haben könnte: Wenn die Zeitspanne zwischen Verlust der Arglosigkeit und der Tötung so kurz sei, dass das Opfer sich nicht mehr wehren könne, sei objektiv das Mordmerkmal gegeben (Urteil vom 11.12.2024 – 3 StR 185/24). Hier habe die Frau erst ihre Arglosigkeit verloren, als sie mit dem Messer bedroht und ihr der Mund zugehalten wurde. Allerdings muss das erkennende Gericht dem 3. Strafsenat zufolge noch ermitteln, ob der Täter das erkannt und ausgenutzt hat.

Aber auch der Strafausspruch muss noch einmal neu verhandelt werden. Das LG habe zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt, dass der Täter nachher versucht hatte, die Spuren seiner Tat zu beseitigen. Das Bestreben, sich der Strafverfolgung zu entziehen, dürfe wegen des Grundsatzes, dass sich niemand selbst belasten müsse, nicht in die Strafzumessung einfließen. Da sich die Strafe am oberen Rand des angenommenen Strafrahmens bewegte, nahm der BGH an, dass sich dieser Fehler auch in dem Urteil niedergeschlagen hat. 

BGH, Urteil vom 11.12.2024 - 3 StR 185/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 5. Februar 2025.