Es begann mit simpler Alltagskriminalität: Zwei Männer stritten sich, der eine zückte eine Schreckschusspistole und bedrohte den anderen. Bevor es zum Strafprozess kam, stifteten der Angeklagte und sein Strafverteidiger jedoch den Geschädigten dazu an, zugunsten des Angeklagten falsch auszusagen, um so einen Freispruch zu erreichen. So wurde aus einem unbeachtlichen Strafverfahren eines, das sich Prüfungsämter wohl genau anschauen dürften.
Wie vereinbart konnte sich der Zeuge vor Gericht plötzlich nicht mehr daran erinnern, dass er bedroht worden war. Er habe vorher Alkohol und Medikamente konsumiert. Später aber knickte er ein und gestand die uneidliche Falschaussage. Während er dafür zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, verhängte das LG Aurich gegen den Rechtsanwalt wegen Anstiftung zur Falschaussage und Strafvereitelung eine anderthalbjährige Freiheitsstrafe zur Bewährung, was das Ende seiner beruflichen Existenz als Anwalt wahrscheinlich machte.
Zweimal hatte der BGH den Strafausspruch bereits aufgehoben und zurückverwiesen. Aber auch seine letzte Verurteilung zu fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe – nun durch das LG Oldenburg – mochte der Verteidiger aus Ostfriesland nicht stehenlassen und ging erneut in Revision. Seiner Ansicht nach hätte der Strafrahmen nach unten verschoben werden müssen, weil er selbst als Anstifter zur Falschaussage kein Zeuge war. Der BGH (Beschluss vom 05.02.2024 – 3 StR 470/23) hingegen verneinte hier die Anwendung des § 28 StGB und verwarf die Revision.
Zeugeneigenschaft kein besonderes Merkmal nach § 28 StGB
Eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB kommt nur in Frage, wenn bei der Anstifterin bzw. dem Anstifter ein besonderes persönliches Merkmal fehlt, das die Strafbarkeit der Täterin bzw. des Täters begründet. Die Zeugeneigenschaft ist aber kein solches Merkmal, so die Karlsruher Richterinnen und Richter. Vielmehr sei sie ein tatbezogenes Merkmal, auf das § 28 Abs. 1 StGB keine Anwendung finde.
Zur Begründung zieht der BGH vor allem den Meineid nach § 154 StGB heran: Hiernach wird jede und jeder bestraft, der vor Gericht falsch schwört – unabhängig davon, ob man Zeugin oder Zeuge, Sachverständige oder Sachverständiger oder Partei ist. Die Zeugeneigenschaft könne also kein besonderes persönliches Merkmal des Meineids im Sinne des § 28 StGB sein. Würde man im Rahmen der Anstiftung zum geringeren Aussagedelikt der Falschaussage die Zeugeneigenschaft als persönliches Merkmal berücksichtigen, würde die Anstifterin bzw. der Anstifter der Falschaussage gegenüber der Anstiftung zu einem Meineid nach § 154 StGB unangemessen begünstigt.
Außerdem sollten die §§ 153 und 154 StGB laut BGH das Gericht vor unwahren Aussagen schützen. Strafgrund sei also die (Mit-)Schöpfung einer falschen prozessualen Wahrheit und nicht die Verletzung einer Zeugenpflicht. Daher sei es als Teilnehmerin oder Teilnehmer eines Aussagedelikts irrelevant, ob man ebenfalls Zeugin oder Zeuge sei.