Zwei Brüder versendeten zwischen Februar 2015 und Dezember 2016 an 351 Personen ein Schreiben, wonach sie deren Unternehmen gegen knapp 400 Euro in ein Gewerberegister eintragen würden. Die Briefe erweckten den Eindruck, von einer Behörde zu stammen und die Adressaten zu einer Gebührenzahlung zu verpflichten. Nur wer ganz genau las, erkannte den Charakter des Schreibens. 134 Menschen fielen auf das Schreiben herein und zahlten das Geld. Das LG Bonn verurteilte die beiden wegen versuchten und vollendeten Eingehungsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten.
Während der Hauptverhandlung wurde klar, dass weitere Verhandlungstage notwendig sein würden. Der Verteidiger des einen Angeklagten hatte aber bereits seinen knapp dreiwöchigen Auslandsurlaub gebucht. Er verabredete mit der Vorsitzenden, dass er während seiner Ferien eine Vertretung zur Wahrnehmung sogenannter Schiebetermine (dient dazu, eine Fortsetzung der Hauptverhandlung innerhalb der Frist des § 229 StPO zu gewährleisten) schicken werde. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass keine Verfahrenshandlungen vorgenommen würden, die die Anwesenheit des eingearbeiteten Verteidigers erforderlich machen würden. Während seines Urlaubs setzte die Vorsitzende den Angeklagten – entgegen der Absprache – eine Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge, die noch vor Rückkehr des Verteidigers ablief. Auch das Plädoyer der Staatsanwaltschaft sollte noch vor seiner Rückkehr gehalten werden. Daraufhin lehnten beide Angeklagten die Vorsitzende Richterin wegen Befangenheit ab, da sie sich nicht an die Absprache gehalten hatte. Die Strafkammer wies beide Anträge ab und entschied. Die Brüder erhoben die Revision und rügten insbesondere die Mitwirkung einer befangenen Richterin an dem Urteil.
Der BGH (Beschluss vom 04.06.2024 – 2 StR 51/23) hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Insbesondere die Verfahrensrüge des Angeklagten mit dem urlaubenden Verteidiger war erfolgreich nach § 24 Abs. 1 und 2, § 28 Abs. 2 Satz 2, § 338 Nr. 3 StPO. Dessen Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht abgewiesen worden.
"Evident absprachewidrig"
Das Verhalten der Vorsitzenden habe sich jedenfalls gegenüber dem Verteidiger als "evident absprachewidrig" erwiesen, denn die Fristsetzung zur Beweisantragstellung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO mit Ablauf noch vor der Rückkehr des Verteidigers lasse sich mit ihrer Zusicherung nicht vereinbaren. Mit dieser Entscheidung, die die Verteidigung sehr beeinträchtigt habe, habe der Strafverteidiger nach der Absprache nicht rechnen müssen. Das Argument der Richterin, nach ihrer Erfahrung seien Verteidiger auch aus dem Urlaub heraus aktiv, überzeugte die Bundesrichterinnen und -richter nicht. Vielmehr sei die Absprache nur so zu verstehen gewesen, dass sie sich auf die Gesamtdauer des Urlaubs und nicht lediglich auf einen Hauptverhandlungstermin bezog.
Auch die Ankündigung des Schlussvortrags der Staatsanwaltschaft für einen Termin vor der Rückkehr des Verteidigers lief dem 2. Strafsenat zufolge der Absprache zuwider. Für die Verteidigung sei es von entscheidender Bedeutung, Kenntnis davon zu erlangen, wie die Anklagebehörde die Sach- und Rechtslage nach durchgeführter Hauptverhandlung einordne. Einer Terminsvertreterin, die nur einen unwesentlichen Ausschnitt der Hauptverhandlung mitbekommen habe, sei es nicht möglich, zu beurteilen, auf welche Ausführungen der Staatsanwaltschaft ein besonderer Fokus zu legen sei.
Da das Urteil auf dem Verfahrensverstoß nach § 338 Nr. 3 StPO beruhte, wurde es fast gänzlich aufgehoben. Auch die Sachrüge des Bruders hatte Erfolg, da ein Schadenseintritt bislang nicht nachgewiesen worden sei. Das Register sei tatsächlich angelegt und wohl auch gepflegt worden. Feststellungen zur Wertlosigkeit der Leistung hatte das LG nicht getroffen.