Angriff mit Quarzsandhandschuhen weist auf Tötungsvorsatz hin
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Wann nehmen Täter den Tod ihres Opfers billigend in Kauf? Wenn drei Männer einen Ordnungsbeamten auf seinem Arbeitsweg überfallen und mit mindestens 20 Schlägen ins Gesicht lebensgefährlich verletzen, sollten Gerichte einen Tötungsvorsatz in Erwägung ziehen, so der BGH.

Der BGH hat ein Urteil des LG Marburg, in dem Haftstrafen für drei Männer wegen (Teilnahme an) gefährlicher Körperverletzung ausgesprochen wurden, wegen "durchgreifender Rechtsfehler" kassiert. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liege es von vornherein nahe, dass Täter den Tod ihres Opfers billigend in Kauf nehmen. Das LG habe den Tötungsvorsatz voreilig ausgeschlossen und sich dabei nicht auf die richtigen Tatsachen gestützt (Urteil vom 18.12.2024 – 2 StR 297/24).

Ein Wettbüro verstieß während der Covid-19-Pandemie gegen die Corona-Verordnung und zog damit die Aufmerksamkeit einer Ordnungsbehörde auf sich. Der stellvertretende Behördenleiter regte beim zuständigen Landkreis ein Bußgeldverfahren an und drohte mit der Schließung der Lokalität. Daraufhin ging der Vater des Betreibers mit diesem ins Gericht, wenngleich erst verbal. Nach einem vermeintlich fruchtbaren Gespräch teilte er seinem Sohn mit, "die Angelegenheit geklärt" zu haben. In Wahrheit war sein Gesprächspartner für den weiteren Verlauf des Ordnungswidrigkeitsverfahrens aber gar nicht mehr zuständig gewesen. Als das Verfahren weiter seinen Lauf nahm, machte der verärgerte Sohn seinem Vater Vorwürfe. Nun wurde auch der Vater wütend und fasste den Plan, den Behördenleiter gemeinsam mit zwei weiteren Männern "abzustrafen". Er erhoffte sich auch, alle weiteren Mitarbeiter der Ordnungsämter so sehr einzuschüchtern, dass sie die weiteren Geschäfte der Familie in Zukunft in Ruhe ließen.

Die Männer lauerten ihrem Opfer vor dessen Haustür auf. Dabei zog einer der Täter Quarzsandhandschuhe an, was die anderen Fahrzeuginsassen abnickten. Die Handschuhe, die auch als schlagkraftverstärkende Handschuhe bekannt sind, sind im Knöchelbereich mit Sand verstärkt. Der Behördenleiter verließ sein Haus und wurde von den Tätern überwältigt, zu Boden gedrückt und mindestens 20 Mal mit den Fäusten ins Gesicht geschlagen. Sie ließen ihn mit gebrochenen Augenhöhlen, einer Gehirnerschütterung und zahlreichen Prellungen zurück. Nach einer dreimonatigen Genesung suchte der Vater ihn erneut auf, dieses Mal in seiner Wohnung. Unter einem weiteren Schlag ins Gesicht und der Drohung "ihm die Augen mit einem Löffel zu entfernen", zwang er ihn dazu, sich telefonisch bei einem der vorherigen Mittäter zu entschuldigen. Der Behördenleiter ist seit diesen Taten in psychiatrischer Behandlung und läuft Gefahr, das Augenlicht zu verlieren.

Das LG Marburg verurteilte den Vater unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren und neun Monaten Haft, die Mittäter erhielten zwei- bis dreijährige Haftstrafen. Einen bedingten Tötungsvorsatz sah das Gericht nicht. Die Täter hätten "aufgrund ihrer Verletzungshandlungen (…) nicht auf die konkrete Lebensgefahr" ihres Opfers schließen müssen, da sie ihm "lediglich" in einem Zeitraum von maximal 30 Sekunden mit behandschuhten Fäusten circa 20 Mal ins Gesicht geschlagen hätten. Außerdem sei das Ausmaß der Verletzungen zum Zeitpunkt der Flucht noch nicht erkennbar gewesen.

Diese Argumentation war zu kurz, wie der BGH nun entschieden hat. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte insoweit Erfolg.

Gefährlicher Angriff legt Tötungsvorsatz nahe

Der 2. Strafsenat warf dem LG vor, den fehlenden Tötungsvorsatz letztlich aus dem Überleben des Opfers geschlossen zu haben. Um den bedingten Tötungsvorsatz verwerfen zu können, hätte das Gericht umfassender prüfen müssen. Insbesondere hätte es dabei die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung der Täter und die Motivationslage mit einbeziehen müssen. Bei "äußerst gefährlichen (Gewalt-)Handlungen" liege es nahe, dass der Täter mit dem möglichen Tod des Opfers rechnet. Wer mit der Handlung dann fortfahre, nehme den Tod billigend in Kauf. Dem LG sei es nicht gelungen, diese naheliegende Schlussfolgerung mit stichhaltigen Gründen zu widerlegen.

So sei schon nicht klar gewesen, ob es überhaupt das Anliegen des Vaters war, dem Behördenleiter nur einen "Denkzettel" für die Zukunft zu verpassen. Insbesondere die Angaben des Angeklagten wiesen darauf nicht hin. Im Gegenteil: Soweit es dem Vater um eine Einschüchterung der Ordnungsbehörden ging, hätte ein Tod das erst recht erreicht. Außerdem habe das LG in der Urteilsbegründung von "lediglich" 20 Schlägen ins Gesicht binnen maximal 30 Sekunden gesprochen. Das lasse bezweifeln, ob es den Angriff richtigerweise als besonders gefährlich eingeordnet habe. Das Argument, die Täter hätten vor Ort "nicht auf die Lebensgefahr schließen müssen", sei ein Zeichen dafür, dass das LG eher auf die Tatfolgen als auf die gefährliche Tat an sich abgestellt habe.

Die äußerst gefährliche Tathandlung sei für die Beurteilung des Vorsatzes besonders bedeutsam gewesen, betonte der BGH. Die Feststellung der Marburger Strafkammer, dass sich "keine Anknüpfungspunkte für eine billigende Inkaufnahme des Todes" gefunden hätten, war vor diesem Hintergrund zu kurz gegriffen.

BGH, Urteil vom 18.12.2024 - 2 StR 297/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 15. Mai 2025.

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