1. Strafsenat: Wechselwirkung von Strafe und Maßregel muss in Strafzumessung erörtert werden
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In dem Streit der Strafsenate des BGH um die Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel in der Strafzumessung hat der 1. Senat nun seine Haltung präzisiert: Die Wechselwirkung müsse berücksichtigt werden, sich aber nicht zwangsläufig strafmildernd auswirken.

In einer Jugendstrafsache verurteilte das Landgericht Augsburg einen Mann wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Strafe und ordnete außerdem Sicherungsverwahrung an. Der Angeklagte legte Revision ein, weil die Urteilsbegründung erkennen ließ, dass das Gericht die Sicherungsverwahrung nicht strafmildernd berücksichtigt hatte. Der Bundesgerichtshof ließ das Landgerichtsurteil bestehen.

Keine starre Regel: Strafmilderung bei Sicherungsverwahrung

Der 1. Strafsenat (Beschluss vom 18.10.2023 – 1 StR 285/23) bekräftigte noch einmal, dass in der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB durchaus berücksichtigt werden muss, wenn die Strafe parallel zur Sicherungsverwahrung verhängt worden ist. So müsse nicht nur die Strafe an sich, sondern auch zusammen mit der Maßregel angemessen sein. Aber: Die Berücksichtigung der Wechselwirkung bedeute nicht, dass die Strafe immer gemildert werden müsse. Vielmehr komme es auf die Umstände im Einzelfall an. Wesentlich ist dem 1. Strafsenat zufolge nur, dass das Tatgericht bei der Festsetzung der Strafe erörtert, wie sich die Verhängung der Sicherungsverwahrung auf das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft auswirken wird. 

Anders sieht es allerdings der 4. Strafsenat (zum Beispiel im Beschluss vom 10.05.2022 − 4 StR 99/22): Hiernach verfolgt die Maßregel stets einen anderen Zweck als die Strafe und für die Verhängung derselben gelten unterschiedliche Anordnungsvoraussetzungen. Daher verneint der Senat eine Wechselwirkung und meint, die Anordnung der Sicherungsverwahrung sei eben kein bestimmender Umstand bei der Festsetzung der Strafe. Der 4. Strafsenat sieht auch kein Hindernis in § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; diese Norm solle nur die "Entsozialisierung" verhindern. Dafür genüge es aber, die Rechtsfolgen insgesamt verhältnismäßig zu gestalten. Diese Anforderung werde bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung regelmäßig durch die Anordnungs- und Vollstreckungsregelungen gewährleistet (etwa Vorwegvollzug der Maßregel nach § 67 StGB oder gar die Aussetzung der Maßregel nach § 67b StGB). 

BGH, Beschluss vom 18.10.2023 - 1 StR 285/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 22. November 2023.

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