BFH: Eingeschränkte Zugangsvermutung bei Beauftragung privaten Postdienstleisters

Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 14.06.2018 zu § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entschieden. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, sei allerdings zu prüfen, ob nach den bei den privaten Dienstleistern vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Damit komme es zu einer erheblichen Einschränkung der Zugangsvermutung, betonte das Gericht (Az.: III R 27/17).

Regelungen zu Zugangsvermutung gingen von Beförderung durch Deutsche Bundespost aus

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Diese in der AO geregelte Zugangsvermutung findet sich wortgleich auch in anderen Verfahrensordnungen wieder (beispielsweise § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG und § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Die Regelungen stammen aus einer Zeit, als die Deutsche Bundespost für die Beförderung von Briefen noch das gesetzliche Monopol hatte und man regelmäßig davon ausgehen konnte, dass ein Brief nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG innerhalb von drei Tagen den Empfänger erreicht.

Ausgangspost durch privaten Kurierdienst als Subunternehmer abgeholt

Im Streitfall ging es um die Einhaltung der Klagefrist, die einen Monat beträgt und mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung beginnt. Auf der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 hatte die beklagte Familienkasse vermerkt "abgesandt am: 06.11.2015" (Freitag). Nach Auskunft der Familienkasse wurde die versandfertige Ausgangspost am Freitag zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr durch einen privaten Kurierdienst als Subunternehmer eines privaten Postdienstleisters abgeholt. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 10.12.2015 Klage. Im Klageverfahren trug er vor, dass die Einspruchsentscheidung ihm erst am 12.11.2015 zugegangen sei. Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab (BeckRS 2017, 144939).

Vorkehrungen für regelmäßigen Zugang innerhalb dreier Tage zu prüfen

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück, da die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichten, um die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung beurteilen zu können. Dabei stellte der BFH darauf ab, dass bei privaten Zustelldiensten im Rahmen der Lizensierung die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft werde. Daher müsse ermittelt werden, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn neben dem im Streitfall beauftragten privaten Zustelldienst, der bei bundesweiten Zustellungen regelmäßig nur über Verbundgesellschaften tätig werde, ein weiteres Dienstleistungsunternehmen zwischengeschaltet werde. Insoweit sei die Einschaltung privater Postdienstleister bei der Frage von Bedeutung, ob die Zugangsvermutung als widerlegt gelte, weil hierdurch möglicherweise ein längerer Postlauf die Folge sei.

BFH, Urteil vom 14.06.2018 - III R 27/17

Redaktion beck-aktuell, 24. Oktober 2018.

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