BFH zu außergewöhnlichen Belastungen: Zumutbare Belastung stufenweise zu ermitteln

Steuerpflichtige können außergewöhnliche Belastungen wie zum Beispiel Krankheitskosten weitergehend als bisher steuerlich geltend machen. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19.01.2017 entschieden. Danach sei die zumutbare Belastung nunmehr stufenweise zu ermitteln, so dass nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Stufengrenzbetrag übersteige, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet werde (Az.: VI R 75/14).

Streit um Abzug von Krankheitskosten

Im Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 Euro als außergewöhnliche Belastungen erklärt. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51.130 Euro lag, berechnete das Finanzamt die zumutbare Belastung unter Anwendung des in der Situation des Klägers höchstmöglichen Prozentsatzes von 4%. Die Krankheitskosten der Eheleute wirkten sich nach dem Abzug der zumutbaren Belastung nur noch mit 2.069 Euro steuermindernd aus.

Bemessung der Zumutbarkeitsgrenze

Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist nach § 33 Abs. 1 und 3 EStG nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Eine Zumutbarkeitsgrenze ("zumutbare Belastung") wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 Euro, Stufe 2 bis 51.130 Euro, Stufe 3 über 51.130 Euro) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl) bemessen (1 bis 7%). Der Prozentsatz beträgt beispielsweise bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern 2% (Stufe 1), 3% (Stufe 2) und 4% (Stufe 3).

BFH: Höherer Prozentsatz nicht mehr auf Gesamtbetrag aller Einkünfte anzuwenden

Der BFH hat dem Kläger insoweit Recht gegeben, als er die vom Finanzamt berücksichtigte zumutbare Belastung neu ermittelte. Nunmehr sei nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Stufengrenzbetrag übersteige, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet. Bislang seien Finanzverwaltung und Rechtsprechung demgegenüber davon ausgegangen, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung einheitlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet. Danach sei der höhere Prozentsatz auf den Gesamtbetrag aller Einkünfte anzuwenden. Maßgebend für die nun gestufte Ermittlung sind laut BFH insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Frage der Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den "gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte" abstelle, sowie die Vermeidung von Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung hätten entstehen können, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.

Gestufte Ermittlung führt im Streitfall zu höherem Abzug

Unter Anwendung der gestuften Ermittlung (im Streitfall 2 % bis 15.340 Euro, 3 % bis 51.130 Euro und 4 % erst in Bezug auf den die Grenze von 51.130 Euro übersteigenden Teil der Einkünfte) kam der BFH zu dem Ergebnis, dass sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten im Streitfall um 664 Euro erhöhten.

BFH, Urteil vom 19.01.2017 - VI R 75/14

Redaktion beck-aktuell, 29. März 2017.