BFH weist Klage gegen Solidaritätszuschlag ab
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Der Bundesfinanzhof hat die Klage eines Ehepaars gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen. Dieser sei nicht verfassungswidrig. Die Bundesregierung kann damit weiter jährliche Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe aus der Abgabe einplanen. Die Kläger hatten mit Unterstützung des Steuerzahlerbundes eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erreichen wollen.

Soli ab 2020 nur noch für 10%

"Im vorliegenden Fall ist das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt", sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling – gegen die Steuerbescheide dieser beiden Jahr richtete sich die Klage. Bloße Zweifel rechtfertigten keine Vorlage an das BVerfG. Der Bund habe schlüssig dargelegt, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursache, auch wenn die früheren Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen sind. Der Bund hatte laut BFH zuletzt elf Milliarden Euro jährlich mit der mittlerweile nur noch von Besserverdienern und Unternehmen bezahlten Abgabe eingenommen. Kläger und Steuerzahlerbund argumentierten, dass der Solidaritätszuschlag in doppelter Hinsicht verfassungswidrig sei. Die Klage berief sich darauf, dass der ursprüngliche Zweck des Soli entfallen sei: Die Abgabe diente zur Finanzierung des Ende 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II, mit dem der Aufbau der Infrastruktur in Ostdeutschland finanziert werden sollte. Bei dem Solidaritätszuschlag handele es sich seit der im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderung zudem um eine verkappte "Reichensteuer", die gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße.

BFH verneint Verfassungswidrigkeit

Der BFH ist dem nicht gefolgt. Beim Solidaritätszuschlag habe es sich in Jahren 2020 und 2021 um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe gehandelt. Eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht sei daher nicht geboten. Eine Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG habe die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Die Abgabe müsse nicht von vornherein befristet werden und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe könne sich auch für längere Zeiträume ergeben. Sie könne aber dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. 

Wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf besteht weiterhin

Hier habe mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren. Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag bestehe nicht. Zudem habe in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes bestanden. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gegeben war, hingewiesen. Er habe weiterhin schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden. Dass sich diese Kosten im Laufe der Zeit weiter verringern werden, habe der Gesetzgeber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tretenden Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen und der damit verbundenen Reduzierung des Aufkommens in Rechnung gestellt.

Ungleichbehandlung durch Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt

Darüber hinaus warfen Steuerzahlerbund und Kläger dem Bund einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vor, weil nur noch eine kleine Minderheit der Steuerzahler die Abgabe zahlen muss, die große Mehrheit jedoch nicht. Im Gesetz zur Rückführung des Solidaritätsausgleichs aus dem Jahr 2019 beschloss die damalige Große Koalition, dass Besserverdiener – die oberen 10% der Einkommen – den Zuschlag weiter zahlen müssen, die übrigen 90% wurden ausgenommen. Auch hier widersprach der BFH. Zwar erkannte er eine Ungleichbehandlung aufgrund der erhöhten Freigrenzen an. Diese sei aber gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, sei die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher könne auch der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstelle, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund sei die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt.

BFH, Urteil vom 17.01.2023 - IX R 15/20

Redaktion beck-aktuell, 30. Januar 2023 (ergänzt durch Material der dpa).