Umsatzsteuerliche Organschaft bleibt auf dem Prüfstand

Der Bundesfinanzhof hat mit zwei die Organschaft im Umsatzsteuerrecht betreffenden Entscheidungen zum einen die Kriterien zur finanziellen Eingliederung geändert und zum anderen ein neues Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Beide Entscheidungen sind bereits nach Vorabentscheidung durch den EuGH ergangen.

BFH bestätigt Umsatzsteuerschuldnerschaft des Organträgers

In dem Verfahren XI R 29/22 hat der BFH zunächst die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft entgegen früheren Zweifeln weiterhin als unionsrechtskonform bestätigt. Die vom EuGH hierfür genannten Bedingungen (Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen) würden gewährleistet, da der BFH schon bisher die Möglichkeit der Willensdurchsetzung verlange und die Organgesellschaft nach § 73 AO für die Umsatzsteuer des Organträgers hafte.

Änderung der Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung

Im Hinblick auf das Kriterium der Willensdurchsetzung hat das Gericht allerdings seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert. Für das Bestehen einer Organschaft sei zwar weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zustehe. Die finanzielle Eingliederung liege nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50% der Stimmrechte verfüge, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert sei, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft halte und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stelle.

EuGH muss über Frage der Steuerbarkeit von Innenumsätzen entscheiden

In dem Verfahren V R 20/22 soll im Wege eines erneuten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH geklärt werden, ob an der bisherigen Annahme des BFH hinsichtlich der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen weiter festzuhalten ist. Diese Annahme beruhe auf einer vor 100 Jahren vom Reichsfinanzhof begründeten Rechtsprechung und werde damit begründet, dass die Organgesellschaft als "unselbständiger" Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergäben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Annahme der Steuerbarkeit hätte weitreichende Folgen

Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH steuerbar seien, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich diene die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt seien, wie beispielsweise Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen. Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge ließen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründeten.

BFH, Beschluss vom 26.01.2023 - XI R 29/22

Redaktion beck-aktuell, 23. März 2023.