Soli endet womöglich vor dem BVerfG
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Über ein Ende des Solidaritätszuschlags wird womöglich das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen. Die Entscheidung, ob eine Klage gegen die Abgabe dem höchsten deutschen Gericht vorgelegt wird, will der Bundesfinanzhof am 30.01.2023 verkünden. Das sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling am Dienstag zum Abschluss der mündlichen Verhandlung.

Betuchtes Ehepaar klagt gegen Solidaritätszuschlag

Die Kläger sind Eheleute, die mit Unterstützung des Bunds der Steuerzahler den ungeliebten Zuschlag zu Fall bringen wollen. Sie argumentieren, dass der Solidaritätsausgleich mittlerweile in doppelter Hinsicht verfassungswidrig sei. Zum einen sei der ursprüngliche Zweck entfallen: Die Abgabe habe zur Finanzierung des Ende 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II gedient, mit dem der Aufbau der Infrastruktur in Ostdeutschland finanziert werden sollte. Den Klägern geht es offensichtlich weniger ums Geld als ums Prinzip. In der ersten Instanz vor dem Finanzgericht hatten sie zwar verloren, doch setzte das Finanzamt die Vorauszahlung für den Solidaritätszuschlag auf vierteljährlich 19 Euro herunter.

Anwalt: Solidaritätszuschlag ist zweckgebundene Ergänzungsabgabe

Rechtlich betrachtet ist der Solidaritätszuschlag keine gewöhnliche Steuer, sondern eine “Ergänzungsabgabe“, wie der Steuerrechtler Roman Seer als Vertreter der beiden Kläger erläuterte.  Solche Abgaben seien “Zwecksteuern". Entfalle der Zweck, müsste demnach auch die dazugehörige Abgabe entfallen, argumentierte der Leiter des Instituts für Steuerrecht an der Universität Bochum. Diese Sichtweise haben in den vergangenen Jahren auch andere Steuerrechtler vertreten. Eine Sonderfinanzierung der neuen Länder gebe es seit Ende 2019 nicht mehr, sagte Seer. “Bund und Länder waren sich einig, dass es keinen Solidarpakt III geben soll.“

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz?

Darüber hinaus werfen die Kläger und ihre Anwälte dem Bund einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vor, weil nur noch eine kleine Minderheit der Steuerzahler die Abgabe zahlen muss, die große Mehrheit jedoch nicht. Im Gesetz zur Rückführung des Solidaritätsausgleichs aus dem Jahr 2019 beschloss die damalige Koalition, dass nur noch Besserverdiener - die oberen 10% der Einkommen - den Zuschlag zahlen müssen. Die übrigen 90% der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen ausgenommen bleiben. Nach Worten Seers zahlen derzeit noch etwa 2,5 Millionen Menschen den Solidaritätszuschlag. “Es ist in Wirklichkeit eine zusätzliche Einkommensteuer“, sagte der Rechtsprofessor dazu.

“Reichensteuer durch die Hintertür“

Der Bund der Steuerzahler warf der Ampel-Koalition vor, den Solidaritätszuschlag gänzlich zweckentfremdet zu haben: “Der Solidaritätszuschlag ist mittlerweile durch die Hintertür eine Reichensteuer geworden“, sagte Präsident Reiner Holznagel nach der Verhandlung. Mittlerweile hat sich auch die Position des Bundesfinanzministeriums geändert. Die Federführung bei der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags hatte bis Herbst 2021 der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Noch in Scholz' Amtszeit als Minister war das Finanzministerium dem Rechtsstreit beigetreten. Das bedeutet, dass zunächst auch das Ministerium die Klage als unbegründet zurückweisen wollte.

BFH-Präsident: Lindner offensichtlich für die Abschaffung

Unter dem jetzigen Ressortchef Christian Lindner (FDP) hat das Finanzministerium seine Beteiligung an dem Verfahren jedoch zurückgezogen, wie der Präsident des Bundesfinanzhofs Thesling sagte. Daraus lässt sich ablesen, dass Lindner nichts dagegen hätte, wenn der Solidaritätszuschlag schließlich höchstrichterlich gekippt werden sollte. Ob Lindner das mit Scholz abgesprochen hat oder die unter seinem Amtsvorgänger geltende Linie auf eigene Initiative änderte, spielte bei der Verhandlung keine Rolle.

Senat hat keine Fragen

Der IX. BFH-Senat hat sich offensichtlich bereits eine Meinung gebildet, deutete jedoch in keiner Hinsicht an, wie seine Entscheidung ausfallen könnte. Anders als bei mündlichen Verhandlungen üblich, stellten die Richter weder an die Kläger noch an das beklagte Finanzamt Aschaffenburg auch nur eine einzige Frage.

Redaktion beck-aktuell, Carsten Hoefer, 17. Januar 2023 (dpa).