Nach Ge­set­zes­än­de­rung: Kehrt­wen­de bei Ab­fär­be­re­ge­lung

Ver­lus­te aus einer ge­werb­li­chen Tä­tig­keit - im Streit­fall sol­che aus dem Be­trieb einer Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge - ste­hen bei Über­schrei­ten der so­ge­nann­ten Ba­ga­tell­gren­ze einer Um­qua­li­fi­zie­rung der im Üb­ri­gen ver­mö­gens­ver­wal­ten­den Tä­tig­keit einer GbR nicht ent­ge­gen. Dies hat der Bun­des­fi­nanz­hof in Ab­kehr von sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ent­schie­den. Hin­ter­grund ist eine Neu­re­ge­lung in § 15 Abs. 3 EStG, die der BFH ein­schlie­ß­lich ihrer Rück­wir­kung für ver­fas­sungs­ge­mäß hält.

Fi­nanz­amt: Ge­werb­li­che Tä­tig­keit färbt auf ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Tä­tig­keit ab

Die Klä­ge­rin, eine ver­mö­gens­ver­wal­ten­de GbR, hatte auf einem von ihr ver­mie­te­ten Grund­stück eine Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge er­rich­ten las­sen, aus deren Be­trieb sie zu­nächst Ver­lus­te er­wirt­schaf­te­te. Dem Fi­nanz­amt ge­gen­über er­klär­te sie Ein­künf­te aus der Ver­mie­tung von Grund­stü­cken sowie ge­werb­li­che Ver­lus­te im Zu­sam­men­hang mit der Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge. Das Fi­nanz­amt ging dem­ge­gen­über davon aus, dass die Klä­ge­rin aus­schlie­ß­lich ge­werb­li­che Ein­künf­te er­zielt habe. Denn sie habe mit dem Be­trieb der Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge eine ge­werb­li­che Tä­tig­keit aus­ge­übt, die auf die im Üb­ri­gen ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Tä­tig­keit "ab­ge­färbt" habe. Das Fi­nanz­ge­richt wies die da­ge­gen ge­rich­te­te Klage ab.

Auch BFH geht in Ab­kehr frü­he­rer Recht­spre­chung von Ab­fär­be­wir­kung aus

Der BFH be­stä­tig­te das Ur­teil der Vor­in­stanz unter Auf­ga­be sei­ner frü­he­ren Recht­spre­chung. Er hatte in einem Ur­teil aus dem Jahr 2018 zu­nächst die Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten, dass Ver­lus­te aus einer ge­werb­li­chen Tä­tig­keit nicht zur Um­qua­li­fi­zie­rung der ver­mö­gens­ver­wal­ten­den Tä­tig­keit einer GbR füh­ren. Diese Recht­spre­chung hat der Ge­setz­ge­ber mit dem rück­wir­kend auch für frü­he­re Ver­an­la­gungs­zeit­räu­me an­wend­ba­ren § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Al­ter­na­ti­ve 1 EStG in der Fas­sung des Ge­set­zes zur wei­te­ren steu­er­li­chen För­de­rung der Elek­tro­mo­bi­li­tät und zur Än­de­rung wei­te­rer steu­er­li­cher Vor­schrif­ten vom 12.12.2019 (WElek­tro­Mob­FördG) außer Kraft ge­setzt. Nach die­ser Neu­re­ge­lung tritt die um­qua­li­fi­zie­ren­de ("ab­fär­ben­de") Wir­kung einer ori­gi­när ge­werb­li­chen Tä­tig­keit (hier: aus dem Be­trieb der PVA) einer Per­so­nen­ge­sell­schaft un­ab­hän­gig davon ein, ob aus die­ser Tä­tig­keit ein Ge­winn oder Ver­lust er­zielt wird. Der BFH er­ach­tet diese Neu­re­ge­lung und deren rück­wir­ken­de Gel­tung als ver­fas­sungs­ge­mäß.

Ba­ga­tell­gren­ze auch bei An­wen­dung der Neu­re­ge­lung zu be­ach­ten

Zudem hat der BFH ent­schie­den, dass die von der Recht­spre­chung ge­schaf­fe­ne und von der Fi­nanz­ver­wal­tung ak­zep­tier­te Ba­ga­tell­gren­ze auch bei An­wen­dung der Neu­re­ge­lung zu be­ach­ten ist. Da­nach führt eine ori­gi­när ge­werb­li­che Tä­tig­keit einer Per­so­nen­ge­sell­schaft nicht zur Um­qua­li­fi­zie­rung ihrer im Üb­ri­gen frei­be­ruf­li­chen Tä­tig­keit, wenn die ori­gi­när ge­werb­li­chen Net­to­um­satz­er­lö­se 3% der Ge­samt­net­to­um­sät­ze der Per­so­nen­ge­sell­schaft (re­la­ti­ve Gren­ze) und zu­gleich den Höchst­be­trag von 24.500 Euro im Ver­an­la­gungs­zeit­raum (ab­so­lu­te Gren­ze) nicht über­stei­gen. Das gilt nach An­sicht des BFH auch dann, wenn die Per­so­nen­ge­sell­schaft – wie im Streit­fall – neben ihrer ori­gi­när ge­werb­li­chen eine ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Tä­tig­keit aus­übt. Im Streit­fall war diese Ba­ga­tell­gren­ze über­schrit­ten.
 

BFH, Urteil vom 30.06.2022 - IV R 42/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Oktober 2022.

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